«Der Klang unserer Herzen»

  12.02.2018 Rheinfelden, Kultur

Konzert mit Grammy-Gewinnerin Kopatchinskaja und Leschenko

Das ausverkaufte Konzert mit dem Titel «Impressions françaises» in der Konzertreihe «Klassik-Sterne» fand am Samstagabend im Rheinfelder Kurbrunnensaal statt. Das begeisterte Publikum kam in Genuss eines abwechslungsreichen Musikprogramms auf einem hohen technischen und künstlerischen Niveau.

Clara Rohr-Willers

Ohne Worte traten Patricia Kopatchinskaja und Polina Leschenko in zurückhaltender Kleidung auf die Bühne. Die Geigerin entledigte sich ihrer Schuhe und hob zum ersten Satz von Claude Debussys Violinsonate g-Moll, L 140 von 1917 an. Schon zu Beginn des Konzertabends, mit den geheimnisvollen Klängen Debussys, führten die beiden Musikerinnen dem Publikum ihre gemeinsame Verbindung vor Augen: den unprätentiösen Zugang zu Musik. Ihr Spiel glich einem intimen Dialog, einem Frage-Antwort-Spiel mit stets offenem Ende.

Der eigene Zugang zur Musik
Die Genialität von Claude Debussys Violinsonate basiert auf der Balance zwischen Violine und Klavier. Dasselbe gilt für das Zusammenspiel der beiden Musikerinnen von Weltrang. Das Intermède, ein fantastischer und leichter Tanz, begann mit einer kurzen einleitenden Violinenkadenz. Darauf lösten Klavier und Geige einander mit schlendernden Gesten ab, als unterhielten sich die beiden Künstlerinnen auf einem Spaziergang. Schwärmerisch und verspielt. Die Poetik des Finales vermittelte Patricia Kopatchinskaja mit einer Leidenschaft, einer Entschlossenheit, die berührte.

Gegen die Faschisten
Die zweite «Impression française» bildete die Violinsonate FP 119 von Francis Poulenc. Der Komponist, Teil der Künstlergruppe «Groupe des Six», wehrte sich gegen romantischen Überschwang und Impressionismus. Schon zu Beginn des ersten Satzes (Allegro con fuoco) nahmen die eindringlichen Klänge Patricia Kopatchinskajas das Publikum mit auf eine Reise mit ungewissem Ausgang. Im Intermezzo erzählte das Klavier, die Geige antwortete zupfend, bis beide dieselbe Sprache sprachen. Die beiden Künstlerinnen spielten, als erzählten sie einander von alten, friedlicheren Zeiten. Nicht sehnsüchtig oder emotional, sondern bewusst und ehrlich.

«Die Musik wiederspiegelt den Klang unserer Herzen»
Aus künstlerischen Gründen entschied sich das Duo, anstatt Wolfgang Amadeus Mozart die Sonate für Violine und Klavier Nummer 1 a-Moll, op. 105 von Robert Schumann zu spielen. «Mozart, Polina und ich haben ein Dreiecksverhältnis», sagte die Geigerin nach der Pause schmunzelnd. «Also beschlossen wir, Musik zu spielen, die den Klang unserer Herzen wiederspiegelt», so die Geigerin.

Mit dem Spiel der «Tre Pezzi per violino e pianoforte, op. 14e» des ungarischen Komponisten György Kurtág aus dem Jahr 1979 bewiesen Patricia Kopatchinskaja und Polina Leschenko, wie ansprechend zeitgenössische Musik sein kann. Im dritten Satz, «Aus der Ferne», erreichten das Publikum feinste Töne, die einen Kontrast zur Menschenmasse im Musiksaal bildeten. Die Zuhörerinnen und Zuhörer wagten kaum zu atmen. Es gelang den Künstlerinnen, das Publikum aus seiner Kontemplation herauszureissen und vor Fragen zu stellen.

Es sei eine unmenschliche Lüge zu sagen, es gebe nur die eine richtige Interpretation, so Patricia Kopatchinskaja. Sie interessiere sich für Menschen, die nicht einfach den Traditionen oder dem Zeitgeist folgen. Menschen wie Beethoven oder Janacek zum Beispiel brachen mit Regeln und machten dadurch neue Parameter möglich. Das sei Kunst, die für sie von Wert sei.

Künstlerische Leiterin an der Camerata Bern
Nach den «Impressions d`enfance» des moldawischen Komponisten Georges Enescu aus dem Jahr 1940 folgte als Zugabe «ein noch schwierigeres Stück». Der zweite Satz aus Alfred Schnittkes Sonate Nr. 1 für Violine und Klavier aus dem Jahr 1963. Nach einem tosenden Applaus verliess das Publikum den Kurbrunnensaal – ab sofort bereit, der grossartigen Geigerin auf ihren Reisen in neue, auch zeitgenössische Klangwelten zu folgen. Ab September 2018 wird die Schweizer Musikerin mit moldawischen Wurzeln für mindestens drei Jahre künstlerische Leiterin des international bekannten Kammerorchesters Camerata Bern.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote