Rheinfelden medical

  11.01.2018 Sport, Gesundheit

Ängste – einfach überwinden?

Dr. med. Hanspeter Flury, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, Chefarzt und Klinikdirektor, Klinik Schützen Rheinfelden

Jeder Mensch kennt Angst, jeden Tag. Angst lässt uns entschlossen zupacken, wenn ein Kind im Spiel unvorsichtig auf die Strasse rennt; Angst lässt uns trotz Vortritt am Fussgängerstreifen warten, wenn ein Auto zu schnell heranprescht, und manchmal lähmt sie uns. Wir nehmen dabei Angst nicht als solche wahr, aber sie beeinflusst uns im Hintergrund – zum Glück, denn angstfrei zu leben wäre unsicher und gefährlich. Oft ist man versucht, Angst auszublenden, zu rasch zu besänftigen oder sich von ihr lähmen zu lassen. Längerfristig wäre es am besten, die vielfältigen Facetten der Angst zu prüfen und in Entscheidungen mit einzubeziehen.

Krankhafte Ängste hingegen prägen das Leben Betroffener stark. Angstkrankheiten sind häufig, verursachen grosses Leid und sind gesundheitsökonomisch sehr relevant. Bei ihnen erhält Angst übermässige Bedeutung und wird dadurch zum Problem; schrill bei Panikstörungen mit Attacken lähmender Todesangst, versteckter und doch nicht weniger gefährlich bei anderen Angstkrankheiten. So führen Phobien in Vermeiden, Rückzug aus sozialen Kontakten, Arbeitsausfällen oder Schulabsenzen. Diffuse Ängste verursachen ständige Irritationen, Anspannungen und körperliche Schmerzen, und wer deswegen lange Alkohol oder Beruhigungsmittel einnimmt, wird abhängig. Angehörige, Menschen am Arbeitsplatz oder Lehrpersonen können Betroffenen helfen, krankhafte Ängste zu erkennen und eine Abklärung und Behandlung zu veranlassen. In solchen Psychotherapien geht es darum, sich den Ängsten direkt dort, wo sie sich zeigen, zu stellen, beispielsweise indem Menschenansammlungen aufgesucht werden, die sonst phobisch vermieden werden, oder indem schwierige Gefühle besprochen werden. Parallel dazu werden innere und äussere Konflikte und Probleme bearbeitet, neue Möglichkeiten entdeckt und Entwicklungen angestossen. So vermindern Therapien das individuelle Leiden und helfen unabhängiger und wieder arbeitsfähig zu werden.

Doch warum sind Ängste und Angstkrankheiten heute häufiger; spielen dabei gesellschaftliche Aspekte mit? Auf den ersten Blick kaum – die unmittelbare Umwelt war für Menschen noch nie so sicher wie in den letzten Jahrzehnten. Und doch: Für Gruppen und Gesellschaften sind Sicherheit und die Kontrolle von Angst zentral; gemeinsame Werte tragen dazu bei. Und der zunehmende Leistungsdruck, die sinkende Einbettung in soziale und Werte-Systeme sowie rasche Veränderungen begünstigen Angst und die Suche nach schnellen Lösungen. Parallel dazu sinkt einerseits die Toleranz für Risiken und man versucht immer mehr, diese über Versicherungen oder Sicherheitsvorschriften zu kontrollieren, andererseits werden immer höhere Risiken gesucht, beispielsweise im Sport. Und der nötige differenzierte Diskurs, der tragfähige Lösungen ermöglicht, geht verloren.

Wer Angst weder verleugnet noch sich von ihr lähmen lässt, sondern sie wahrnimmt, gewichtet und rechtzeitig Lösungen umsetzt, gewinnt längerfristig, auf allen Ebenen. Kein einfaches Unterfangen, aber eben: Es lohnt sich.

«Rheinfelden medical» ist eine Kooperation der vier bedeutenden Rheinfelder Unternehmen im Gesundheitsbereich: Gesundheitszentrum Fricktal AG, Salina im Park resort Rheinfelden , Reha Rheinfelden sowie Klinik Schützen Rheinfelden. In Zusammenarbeit mit der Neuen Fricktaler Zeitung publiziert ein Mitglied regelmässig Ende Monat einen Ratgeber zu aktuellen Gesundheitsthemen.


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