Hans Gino Suter und der Rollentausch

  24.01.2018 Gipf-Oberfrick, Persönlich, Musik

Der Oberfricker war Rechtsanwalt, bevor er seiner Berufung als Musiker folgte

Er vertrat Klienten vor Gericht und brachte den Jazz in die Hofstatt. Hans Gino Suter liebt die Improvisation an der Seite von Andrei Ichtchenko und spielt am Samstag mit seinen Freunden von der Folk- und Blues-Band Pepperongino in Wölflinswil.

Simone Rufli

«Wir müssen uns am Morgen treffen, am Nachmittag muss ich mich aufs Konzert im Ochsen vorbereiten», sagt Hans Suter am Telefon. Tags darauf treffen wir uns in seinem Haus in Oberfrick. Der Ochsen, stellt sich heraus, steht in Oberzeihen und vorbereiten muss er sich auf den Auftritt mit seinem Freund und Profi-Akkordeonisten Andrei Ichtchenko. Ichtchenko? Klingt russisch, woher kennen sich die beiden? Hans Suter setzt sich und beginnt eine Geschichte zu erzählen – eine von vielen an diesem Morgen.

Wiedersehen
Ichtchenko hat er 1992 in Basel kennengelernt. «Zufällig. Ich kam aus dem Gericht an der Bäumleingasse, lief die Freie Strasse hinunter, sah eine Menschenansammlung, hörte Vivaldi.» Zwei Strassenmusiker auf der Durchreise von Paris heim nach Moskau. Einer davon Andrei mit seinem Akkordeon. Damals verantwortlich für das musikalische Programm der Galerie zur Hofstatt in Gipf-Oberfrick, engagierte Suter die beiden russischen Virtuosen vom Platz weg für ein Konzert. Die Jahre vergingen. Hans Suter spielte Geige, wurde begleitet von Geni Hüsser am Akkordeon. Als Suter später aus dem Nachlass des Fricker Kunstmalers und Musikers Geni Hüsser dessen Noten erhalten hat, hat er sich an Andrei den Akkordeonspieler erinnert, ihn ein Dutzend Jahre nach der letzten Begegnung gesucht und samt Frau und Kindern in Basel wieder gefunden.

«Wenn Andrei mein Geigenspiel begleitet, lebt er das Wilde, das Ungestüme. Als Begleiter von Sängerinnen und Mitglied in Bands ist er sonst in enge musikalische Vorgaben eingebunden. Ich dagegen lebe stets die Improvisation und bin auf sein Musiktheorie-Wissen angewiesen», betont Suter. Suter spielt auch in anderen Formationen. Mit den Pepperonginos feiert er in diesem Jahr das 10-Jährige. Am Samstag spielt er mit ihnen in Wölflinswil.

Suter beginnt eine neue Geschichte. Die von der zweiten Begegnung mit Hans Joho, seinem Geigenlehrer aus Brugg. «Zwei Jahre nach Geni Hüssers Tod, an der Vernissage seiner Bilder im Kornhauskeller – Andrei und ich spielten seine Musik – kam ich mit einer Frau ins Gespräch. Sie erzählte von einem Nachbarn, einem Geigenlehrer. Hans Joho. Am nächsten Tag rief ich ihn an und bei unserm nächsten Konzert sass er im Publikum. 50 Jahre nach meiner letzten Unterrichtsstunde sahen wir uns wieder. Ein unglaubliches Erlebnis! Ich wollte nochmals zu ihm in den Unterricht. Er schüttelte den Kopf: Mach das nicht, sagte er, spiel einfach so weiter.»

Ein 68er durch und durch
Die Musik, die Kunst, die Kunstschaffenden, das Publikum, all die Begegnungen, die sich daraus ergeben – sie sind enorm wichtig in Hans Suters Leben. Und doch wurde er nicht Berufsmusiker, sondern ging seinen Weg als Anwalt mit Schwerpunkten im Straf-, Migrations- und Familienrecht. «Ich war als Jugendlicher indifferent», Suter zündet sich eine Zigarette an, beobachtet das Feuer im Kamin. «Mich interessierte alles. Ich habe mit 8 angefangen Geige zu spielen, sie dann aber für Jahrzehnte wieder weggelegt.» Und das kam so: Er war 18, als das Jahr 1968 über die Jugend hereinbrach. Er schmunzelt: «Eine Geige, klassische Musik, das passte nicht. Das wirkte altbacken. Beatles, Rolling Stones, aber doch nicht Vivaldi!»

Basels bewohnte. «Unsere beiden ersten Kinder sind in Basel geboren, in Gemeinschafts-Haushalte hinein, wo sie mit Kindern anderer Paare zusammen aufwuchsen, bis wir in den 80ern als vierköpfige Familie ins Fricktal zügelten.»

Suters Blick fällt auf die Spielecke seiner zweijährigen Enkelin. «Ich war nie im Militär, habe nie 100 Prozent gearbeitet, weil ich auch mit meinen Kindern sein wollte. Damals fragten sich hier einige: ist das überhaupt ein richtiger Mann?» Der Schalk in seinen Augen ist nicht zu übersehen. Im Februar wird der Mann 68 – schon wieder ein 68er...

Als die Hofstatt in Flammen aufging
Aufgewachsen ist Johannes – «so bin ich getauft, im offiziellen Geburtsausweis steht Hans und am Gymi in Baden wurde daraus Gino» – am Enzberg in Oberfrick. Heute wohnen Suters nahe der ehemaligen Galerie Hofstatt. Und auch dazu gibt es eine Geschichte: «Die Hofstatt hatte mein Vater 1964 als altes Bauernhaus gekauft. Im heissen Sommer 76 ist es abgebrannt, als ein Funken des Heugebläses das darin gelagerte Heu entzündete. Vom Gebäude blieb nur eine Brandruine. Mein Vater hat sich nach einer Schreinerlehre in der damaligen Möbelfabrik Ströbel in Frick dem Möbel-Design zugewandt. Kennen Sie die Bauhaus-Geschichte?»

Suter lehnt sich zurück; erzählt von den 30er Jahren, als die Leute anfingen, aus Möbeln und anderen Gebrauchsgegenständen moderne Design-Objekte herzustellen und kehrt zurück zu seinem Vater. «Auf Wunsch seines damaligen Chefs fing er an, Möbel zu zeichnen, die sich als Designerstücke am Ende besser verkaufen liessen. Sein Handwerk wurde zum Kunsthandwerk, so lag es ihm nahe, aus der Hofstatt-Brandruine eine Galerie zu schaffen.» 1979 bis 2000 war die Hofstatt ein Ort des kulturellen Austauschs. Suters Frau Trudy leitete die Galerie und den Gastronomie-Bereich, während er sich um das Engagement von Jazz-Musikern kümmerte. Heute wird er selber als Musiker engagiert. So können sich im Leben die Rollen vertauschen.


Am Samstag, 27. Januar 2018, spielt Hans Suter mit der Folk- und Blues-Band Pepperongino, 20 Uhr. Wölflinswil, altes Gemeindehaus.


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