Die Marge bleibt beim Bauern

  11.01.2018 Bözen, Leserbriefe

Kürzlich beachtete ich einen Fernsehbeitrag von einem deutschen Sender. Eine Hartz 4-Familie (Minimalunterstützung an Arbeitslose des deutschen Staates) zeigte das Essensbild einer 5-köpfigen Familie. Bioprodukte liegen auf keinen Fall drin, wurde festgestellt. Die Mutter kämpfe sich täglich durch die notwendigsten und günstigsten Angebote durch, Fleisch sei absolute Ausnahme. Der Moderator, ein beliebter Fernsehkoch, wollte diese Zweiklassengesellschaft – Hartz 4 zu den normal Verdienenden – überprüfen. Während einer Woche wurde auf dem Markt eingekauft.

Marktfahrer, alles Landwirte aus der Umgebung, verkauften ihre Produkte. In einem hinteren Gestell standen abgepackte, zehn Kilo schwere Einkaufstaschen mit verschiedenen Gemüsen. Sie seien nicht marktkonform – Launen der Natur – und können nicht im gepflegten Sortiment verkauft werden. Es sei aber Biogemüse. Diese Einkaufstasche wurde gekauft, die Familie sparte die Hälfte des regulären Preises. Mit der Differenz konnte sich die Familie günstiges Biofleisch des Landwirtes leisten.

Es wurde aufgezeigt, wie sich Bio-Bauernfamilien organisieren, Stammkunden, Private und Restaurants in ihren Dateien betreuen, Genossenschaften bilden, kurz: ihre Vermarktung via Internet selber an die Hand nehmen. Die Tiere werden artgerecht gehalten. Die Fleischproduktion wird den Marktbedürfnissen angepasst, die Konsumenten werden per Mausklick laufend orientiert.

Es geht um einen lebensfähigen Produktionspreis. Dafür wird eine gesunde Lebensmittelproduktion mit tiergerechter Haltung und der Schonung der Böden garantiert. Die Handelsmarge gehört dem Erzeuger, dem Bauern und nicht den Grossverteilern, resümierte der Moderator.

Die Landwirtschaft ist Teil unserer Volkswirtschaft. Die digitale Revolution, welche in allen Bereichen unserer Gesellschaft stattfindet, macht auch beim Bauern nicht halt. Die Direktvermarktung ist bei unseren Jungbauern längst angekommen. Die kleinräumige Schweiz muss mit den 1000-Hektar-Betrieben ennet der Grenze gar nicht mithalten können. Unsere Lebensmittel werden in überblickbaren Verhältnissen produziert. Der Konsument weiss, wo er kauft. Das ist die einmalige Chance unserer schweizerischen Landwirtschaft: Gesunde Lebensmittel, das gilt auch für die Landwirtschaft ennet unserer Grenzen, ist ein Faktum; das will unsere Bevölkerung. Etwas Gutes hatte und hat immer seinen Preis!

Hoffentlich hat der oberste Bauersmann aus der Ostschweiz diese TV-Sendung beachtet. Seine Gesprächsverweigerung mit dem zuständigen Bundesrat in Sachen Zollabbau zeigt seine Hilflosigkeit. Ihn gar aus dem Amt zu verjagen und durch einen SVP-Bundesrat ersetzen, ist völlig daneben. Hoffentlich ist sich die SVP dieses Schildbürgerstreichs bewusst. Die Hauptaufgabe des Bauernchefs ist die Umleitung der Handelsmarge zugunsten der Produzenten. Es kann ja nicht sein, dass die Bundessubventionen beim Handel verschmolzen werden.

Das noch gute Einvernehmen der Bevölkerung zur Bauernsame könnte kippen. Die Devise «farmer first» ist antiquiert. Bauern wollen Unternehmer sein.

HANSPETER JOSS, BÖZEN


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