«Wir wollen die Welt erkunden»

  17.01.2018 Wölflinswil

Köbi Brem verlässt Wölflinswil auf unbestimmte Zeit

Nach 30 Jahren bei ABB Turbo Systems und 13 Jahren Gemeindepolitik – davon acht Jahre als Gemeindeammann von Wölflinswil – setzt der 57-Jährige Köbi Brem im Mai die Segel und folgt fortan dem Wind. Zusammen mit seiner Partnerin Pia Koch bricht er auf zu einem mehrjährigen Segeltörn.

Simone Rufli

Es gibt Menschen, die sind wochenlang im Voraus nervös, wenn sie für vierzehn Tage verreisen. Und es gibt Menschen wie Köbi Brem. Die sitzen – vier Monate bevor sie alles Bisherige für viele Jahre hinter sich lassen – seelenruhig und entspannt daheim im Wohnzimmer. «Ein Erbstück», Brem zeigt auf den schönen Holztisch. «Ich bin in diesem Haus aufgewachsen.» Hinter dem Haus stehen Brem-Cars und -Postautos. «Damit habe ich nichts zu tun. Das Unternehmen führt mein Bruder. Mein Grossvater fing als Postautohalter an. Auf den Grossvater folgte mein Vater und nun der Bruder.» Die Wohnung sei spärlich eingerichtet, «weil wir nicht mehr lange hier wohnen bleiben. Wir vermieten und lagern unser Hab und Gut ein.» – Wir kehren zum Anfang unseres Gesprächs zurück. «Wieso sollte ich nervös sein?», mit einem Lächeln gibt Köbi Brem die Frage zurück. «Ich war bis Ende Dezember Gemeindeammann, und bis zum 13. April arbeite ich immer noch 100 Prozent. Ich hatte bisher wirklich anderes zu tun, als mich um unsere Reise zu kümmern.» Er lacht, seine Partnerin schüttelt den Kopf. So sei er eben, immer auf das fokussiert, was er gerade mache. «Eins nach dem anderen», bestätigt Brem. «Über die Weihnachtstage habe ich immerhin schon angefangen nach dem passenden Schiff zu suchen.» Wird ja auch langsam Zeit. Immerhin will Köbi Brem zusammen mit seiner Partnerin bereits im Mai die Segel hissen und ein komplett anderes Leben beginnen. «Wir wollen die Welt erkunden; das Gefühl haben, komplett loszulassen. Und das kann man doch nur, wenn man nicht zu viel im Voraus plant.» Diesmal nickt seine Partnerin und es ist schwer zu sagen, welches Augenpaar gerade mehr leuchtet. Und so wissen die beiden noch nicht einmal genau, von wo aus sie im Mai in See stechen werden. «Das hängt davon ab, wo wir unser Schiff finden. Im Augenblick gefällt uns eine 14-Meter Yacht aus England. Von dort aus würden wir dann wohl als erstes hinunter ins Mittelmeer segeln.»

Am Anfang war ein Schlauchboot
Angefangen hat alles mit einem Schlauchboot auf dem Rhein. «Von Laufenburg nach Stein war ja schön, aber irgendwann hatte ich den mühsamen Weg mit dem Zug zurück satt und wollte mir einen Motor anschaffen. Meine Partnerin legte ihr Veto ein. Zu viel Krach. Lerne du segeln, hat sie gesagt und verwies mich an eine Segelschule am Hallwilersee.» Die beiden sehen sich an, lachen. Das war vor zehn Jahren. Den Segelschein in der Tasche fuhr Brem wenig später mit einem Arbeitskollegen, der das Hochsee-Brevet hat, hinaus aufs Meer. «Da begegnete ich all den Schiffen, die ich von der Arbeit her kannte», Brem kommt ins Schwärmen. Im technischen Kundendienst bei der ABB Turbo Systems war es die Aufgabe des Maschineningenieurs, die Probleme die seine Kunden mit den Turboladern bei ihren Schiffsmotoren hatten zu untersuchen und eine Lösung zu finden.

«Reisen war immer schon ein wichtiger Faktor in meinem Leben. Angefangen in der Studienzeit als Rucksacktourist. Dann beruflich immer ganz nah bei den Einheimischen und ihren Gewohnheiten.» Brem machte das Hochseebrevet. «Wir waren aber noch nie länger als 36 Stunden am Stück auf dem Wasser», gesteht er. Wollen sie in die Karibik, verbringen sie drei Wochen ununterbrochen auf dem Meer. «Nicht alle schaffen das. 50 Prozent der Leute kehren im Mittelmeer schon um.» Er sei zuversichtlich. «Ich gebe nicht gerne auf und ich kann mich an Herausforderungen motivieren.» Bis im September/Oktober wollen sie auf den Kanaren sein und ab November Richtung Karibik starten. Einzig vom Wetter lassen sie sich führen, weichen der Hurrikan-Saison aus. «Die Zeitfenster sind gegeben. Man muss bisweilen Geduld haben, aber das muss sein, sonst wird es gefährlich.» Das Weltgeschehen wollen sie nicht aus den Augen verlieren. Schlepperbote, Flüchtlingsströme, Piraterie, von Schiffen gefallene Container – der Gefahren sind sie sich bewusst. «Doch das Meer ist gross und wir haben Zeit.» Sie werden jeweils auch ins Landesinnere auf Entdeckungstour gehen. Und ja, «wir werden sicher einmal im Jahr ein paar Ferientage in Wölflinswil verbringen – nicht zuletzt um das Grosskind zu sehen». Wo sie sich gerade befinden, will Köbi Brem per GPS online stellen. Eine Homepage plant er. Während seine Partnerin bereits vor Monaten anfing, spanisch zu lernen, wird Brem das auf dem Schiff machen. «Dort werde ich auch lernen zu fischen.»

Sein Traumziel war es, mit 55 aus dem Berufsleben auszuscheiden. Dass es nun zwei Jahre länger gedauert hat, hängt damit zusammen, dass er die Legislaturperiode als Gemeindeammann zu Ende bringen wollte. «Die Jahre in der Politik haben mir sehr viel gebracht. Sie ermöglichten mir Einblicke in Abläufe, die man sonst als Bürger nicht bekommen kann.» Es habe in all den Jahren im Gemeinderat keine Sitzung gegeben, an die er nicht gerne gegangen wäre. «Es gab immer Spannendes zu diskutieren und zu entscheiden.» Dieses Entscheiden-Können als Ressortchef allein oder im Fünfer-Gremium hat Brem geliebt und auch, dass er mit seiner politischen Arbeit Probleme lösen und im Dorf Spuren hinterlassen konnte.

Der Traum fürs Alter: Alaska-Feuerland
Nach den Jahren auf dem Wasser könnten sich die beiden vorstellen, das Schiff gegen ein Wohnmobil einzutauschen. «Um zu segeln muss man körperlich fit sein. Es werden Jahre kommen, wo uns das zu viel wird.» Kein konkreter Plan, oder? «Natürlich nicht. Eins nach dem anderen. Aber von Alaska hinunter zur Südspitze von Argentinien, nach Feuerland, das wäre so eine Idee, die wir schon lange im Hinterkopf haben.» Doch jetzt freut sich Köbi Brem zuerst aufs Meer «und auf die dunklen Nächte unter dem Sternenhimmel, ganz ohne Lichtverschmutzung.»


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