«Ich bin ungeduldiger geworden»

  15.11.2017 Persönlich

Sabin Nussbaum: ein ganz persönlicher Rückblick

Seit 2006 im Gemeinderat Zeiningen. Seit 2009 als Gemeindepräsidentin. Ende Jahr ist Schluss. Die NFZ hat Sabin Nussbaum (CVP) zum Interview getroffen.

Ronny Wittenwiler

NFZ: Sabin Nussbaum, Sie sagen, jetzt sei der richtige Zeitpunkt, um aufzuhören. Warum? Sabin Nussbaum: Ich bin gesund und freue mich, andere Dinge unternehmen zu können. Irgendwann hört man nun mal auf.

Wird man amtsmüde?
(Überlegt lange) Ich glaube schon, dass ich nun etwas amtsmüde bin. Das muss ich offen zugeben; heisst aber nicht, dass man die Arbeit nicht bis zum Schluss seriös erledigt.

Würden Sie es wieder tun?
Ja. Das Amt ist eine sehr lehrreiche und interessante Erfahrung.

Worauf könnten Sie rückblickend gerne verzichten?
Zu einem solchen Amt gehören schöne und weniger schöne Erfahrungen dazu.

Was heisst weniger schöne Erfahrungen?
Das Ganze ist härter geworden. Bei gewissen Themen kommt es öfters zu Einwendungen. Vieles läuft rasch einmal darauf hinaus, dass man es gleich mit Anwälten zu tun hat. Die Menschlichkeit ging etwas verloren.

Und der Ton in der Kommunalpolitik ist gehässiger geworden?
Härter, würde ich sagen. Ich merke aber, dass ich selber ungeduldiger geworden bin.

Woran merken Sie das?
Führt eine Diskussion ins Bodenlose, klemme ich eher mal ab. Ich weiss natürlich nicht, ob das von aussen auch so wahrgenommen wird. Vielleicht war ich schon immer etwas ungeduldig.

Als Gemeindepräsidentin verdienen Sie rund 28000 Franken pro Jahr. Genügt das als Schmerzensgeld für das rauer werdende Klima?
Niemand sollte so ein Amt des Geldes wegen ausüben. Man muss es für die Gemeinde machen, als Beitrag für das Gemeinwesen, so, wie sich andere anderswo engagieren.

 

Sabin Nussbaum blickt zurück. Als Gemeinderätin. Als Gemeindepräsidentin. «Früher waren wir viel stärker operativ tätig.» Natürlich, dass der Gemeinderat mittlerweile für strategische Aufgaben verantwortlich zeichne, sei sinnvoll. «Doch operativ tätig zu sein, fand ich immer sehr interessant. Du warst viel näher bei den Menschen.» Erst im Amt habe sie zudem richtig erfahren, wie lange Prozesse dauern können. «Das war eine überraschende Situation.» Die vielen Aufgaben, die eine Gemeindeverwaltung beschäftigt. «Nein», sagt sie, nur mit dem Finger schnippen – und die Geschäfte sind erledigt: «unmöglich.»

 

Es heisst immer, ein solches Amt sei vielmehr von Sachpolitik statt Parteipolitik geprägt. Sie bestätigen das?
Ja. Und doch kann Parteipolitik beziehungsweise die politische Einstellung einen Einfluss haben. Als einzelner Gemeinderat bringt man schliesslich Ideen ins Gremium ein. Da kann es, abhängig von finanziellen Gestaltungsmöglichkeiten, immer in die eine oder andere Richtung gehen.

Das Tun und Handeln von Gemeindepräsidentin Nussbaum war also geprägt vom gutbürgerlichen Kompromiss wie das bei der CVP üblich ist?
(Lacht). Auch das hat sich wohl etwas gewandelt. Vielleicht bin auch ich etwas härter geworden bei meinen Entscheidungen. Mit der Zeit haben Kompromisse abgenommen.

Inwiefern?
Das hat gerade mit der Verschiebung von operativer hin zu strategischer Tätigkeit des Gemeinderats zu tun. Wer mit Menschen am Tisch sitzt und sich besprechen kann, sucht eher den Kompromiss. Hast du als Gemeinderat aber bloss noch den Antrag auf dem Tisch und musst entsprechend einen Entscheid fällen, siehst du vielleicht weniger die Alternativen.

Wer Entscheide fällt, ist nicht immer populär.
Man gefällt vielen Leuten nicht. Vielleicht existiert zu Beginn die Idealvorstellung, es könnte so sein: dass man dauernd den Kompromiss sucht und findet. Aber das ist unmöglich. Es gibt derart viele Regelungen, an die sich eine Exekutive zu halten hat. Es braucht eine klare Linie.

Wollen Sie nach dem Amt wieder allen gefallen?
(Lacht). Das wird mir nicht gelingen. Aber ich möchte mich anderweitig wieder vermehrt engagieren im Dorf, über Vereine wie die Frauenriege etwa. Ein solches Behördenamt lässt einen manchmal zurückhaltend agieren. Auf diesen ungezwungenen Kontakt freue ich mich.

Im neuen Gemeinderat verfügt einzig die designierte Gemeindepräsidentin Gisela Taufer über mehrere Jahre Exekutiv-Erfahrung. Ein Problem?
Ich hätte es schön gefunden, wäre noch jemand vertreten, der bereits länger dem Gemeinderat angehört. Aber es ist machbar. Die Konstellation ist nicht tragisch.

Werden Sie künftig an Gemeindeversammlungen teilnehmen?
An der ersten ganz sicher nicht. Ich muss Abstand gewinnen. Man war zu lange mittendrin, um das nun ganz gewöhnlich von aussen zu verfolgen.

Die zweite Versammlung wäre dann wohl die Wintergemeinde
2018.

Ich verspreche nichts.

Auch nicht, dass Sie sich künftig nicht in die Geschäfte der Exekutive einmischen?
Genau das habe ich nicht vor. Das ist vielleicht nicht einfach, wenn man jahrelang stark involviert war. Genau deshalb suche ich diesen Abstand.

Was wird Ihnen fehlen?
Die Kontakte zu den Gemeinderatskollegen, zu den Leuten in der Verwaltung, aber auch zu den Gemeinderäten anderer Gemeinden. Die Zusammenarbeit im Tal war gut. Da waren so viele interessante Kontakte. Das alles wird Ende Jahr fertig sein. Genaugenommen beginnt es bereits jetzt: Man verabschiedet sich nun laufend irgendwo.

Worauf freuen Sie sich?
Auf die zeitliche Unabhängigkeit. Ich möchte wieder mehr reisen, vielleicht die eine oder andere Stadt besuchen, wandern. Vielleicht gibt es wieder einen Viertausender nächstes Jahr. Mein Mann und ich, wir waren im August mit einem Bergführer auf dem Finsteraarhorn.

Ach ja, worauf freut sich Ihr Mann?
Das müssten Sie ihn fragen.
(lacht).


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