«Ich möchte etwas zum Blühen bringen»

  20.08.2017 Kunst, Möhlin, Persönlich, Porträt, Unteres Fricktal

Von Hildegard Siebold

«Zu allem, was ich tu und mach bin ich gekommen, wie ein Hund zu einem Tritt», sagt Monika Sandmeier mit einem tiefen Lachen. Es hört sich so herzerfrischend an, wie sie selbst es ist. Sie sprudelt über, wenn sie aus ihrem Leben erzählt. Aber zurück zu den Pilzen. Die entdeckte sie, als Freunde ihr und ihrem Mann Urs einen vierwöchigen Aufenthalt in einem Maiensäss schenkten. Auf der Alphütte gab es kein Wasser und keinen Strom, nichts als herrliche Natur. «In den ganzen vier Wochen regnete es nur drei Tage nicht», erinnert sich Monika Sandmeier. Was also tun, wenn man wie sie eine aktive Person ist. Die Lösung fand sie auf dem Weg zum Brunnen, der einzigen Wasserquelle oben auf dem Berg. Da wuchsen auf 15 Metern mindestens zehn verschiedene Pilzarten. «Und ich kannte keine einzige», erzählt sie. Also ging sie hinunter ins Tal und kaufte sich ein Pilzbuch. «Wir haben alles gegessen, was ich in stundenlangem Studium als gut befunden habe», sagt sie und fügt augenzwinkernd hinzu: «Wir leben noch.»

Als sie nach der Maiensäss-Zeit heimkam – damals lebte sie schon seit zehn Jahren in Möhlin – erfuhr sie, dass es dort einen Verein für Pilzkunde gab, dem sie sogleich beitrat. Ein Jahr später legte sie die Prüfung zur Pilzfachfrau ab. «Man muss die 20 giftigsten Pilze an ihren Charakteristika blind bestimmen können», erklärt sie, «und auch sonst noch ein paar Pilze kennen.»

 

«Die Frau, die bleibt»

Diese waren für sie ein so faszinierendes Gebiet, dass sie auf Anfrage der Gemeinde Möhlin den Posten der Pilzkontrolleurin übernahm, als ihr Vorgänger nach Rheinfelden zog. Bis heute geht sie regelmässig auf Pilzsuche. Wenn im Verein wieder einer der wöchentlichen Pilzbestimmungsabende ansteht, sammelt sie möglichst viele Arten. Ebenso wie Monika Sandmeier den Pilz für sich entdeckte, kam sie zur Steinhauerei. Oder vielmehr dank dem Pilz. Mit einem Korb voller Mairitterlinge begegnete sie eines Tages auf dem Zuzger Lohnberg dem bekannten Fricktaler Bildhauer Paul Agustoni. Sie bot ihm die Hälfte ihrer Pilze an und er ermunterte sie, an einem Steinhauerkurs teilzunehmen. «Wir haben uns auf der Stelle geduzt», erinnert sich Monika Sandmeier an die erste Begegnung mit dem 2012 verstorbenen Bildhauer, mit dem sie fortan eine tiefe Freundschaft verbinden sollte. Ihr erstes Werk war ein Frauenkopf. «Die Frau, die bleibt», schmunzelt sie, weil ihre beiden Töchter damals schon erwachsen und aus dem Haus waren. Der Lehrmeister war begeistert von ihrem Erstlingswerk und das Steinhauen blieb ihr. Ein wenig stolz war sie schon, als ein von ihr geschaffener Grabstein auf dem Friedhof Hörnli in Basel ausgezeichnet wurde. Die Stadt hatte im Oktober 2015 wie jedes Jahr fünf beispielhafte Grabmäler auf dem «Hörnli» auserkoren und prämiert. Monika Sandmeier hatte einen Grabstein für ihre frühere Lehrerin Margaretha Amstutz gehauen. «Sie war ein Eckstein in meinem Leben, wie eine Mutter», erzählt sie. Sie habe das einfach sehr gerne gemacht für diese besondere Frau. Das Grabmal bestach die Jury ob seiner klaren Linien und dem handwerklichem Geschick. «Ich liebe die Einfachheit und Klarheit, was viel Interpretation zulässt», erklärt Monika Sandmeier. Weniger sei oft mehr.

 

Dass sie eine Schafferin ist, zeigte sie auch als Präsidentin der Kulturkommission Möhlin. Zehn Jahre lang hatte sie die Position inne. «Es macht mich glücklich, wenn ich etwas zum Blühen bringen kann», erklärt sie ihr Engagement. Das trifft auch auf ihre Arbeit als Lehrerin zu. «Eine Lehrerin ist eine Volksbildhauerin», findet sie. Da könne etwas ganz Tolles entstehen. Über 25 Jahre gab sie an der Musikschule Möhlin Blockflöten- und Ensemble-Unterricht. Auch in ihrer Jugend waren Lehrer und Lehrerinnen wichtige Persönlichkeiten, die sie prägten. Monika Sandmeier ist in Basel geboren. Sie hat drei Geschwister.

 

Es gibt sie, die grosse Liebe

Ihre Mutter sei eine stockkatholische Frau gewesen, ihr Vater ein Freigeist. Das konnte nicht gutgehen. Als sie sechs Jahre alt war, wurde die Ehe geschieden und die Kinder wurden der Mutter zugesprochen. Als sie aber sieben war, starb ihre Mutter an einer Krebserkrankung. «Das hat mich platt gewalzt, zertrümmert», beschreibt sie diese tieftraurige Erfahrung. Was folgte, waren Stationen bei verschiedenen Tanten. «Keiner wollte uns vier Kinder haben, schon gar nicht der Vater», erinnert sie sich. Letztlich blieb das Waisenhaus. Monika Sandmeier ging sehr gerne in die Schule – da gab es geistige Nahrung und positive Wahrnehmung. Mit einer Psychoanalyse versuchte sie, ihr Kindheitstrauma zu bewältigen. Das sei ein großer Leidensweg gewesen. Letztlich geheilt hat sie aber ihr Mann, dem sie im zahnärztlichen Institut in Basel begegnete. Er arbeitete dort als Assistent und sie wurde seine Patientin. «Wir haben uns auf der Stelle unglaublich ineinander verliebt», verrät Monika Sandmeier. Nach der vierten Begegnung beschloss das Paar zu heiraten, sobald eine Wohnung gefunden wäre. Das traf nach drei Monaten ein. Heute, 47 Jahre später, weiss sie, es gibt die grosse Liebe. Da war jemand, der sein ganzes Leben mit ihr verbringen wollte. Für die junge Frau war das ein unglaubliches Erlebnis und ein grosses Geschenk. Ebenso das Mutterwerden und das Grossmuttersein. Enkelin Anouk ist vier Jahre alt. Auch wenn Monika Sandmeier in ihrem Leben angekommen ist, hat sie immer noch Ziele. Sie möchte den Durchblick haben, Dinge verstehen, Menschen verstehen, Leben verstehen, Sterben verstehen, Religion verstehen. Und sie könnte sich vorstellen, einmal ein Buch zu schreiben, einen Bestseller am liebsten, auf humoristische Art zusammenfassen, wie man trotz widriger Umstände am besten ungeschoren und gewinnbringend durchs Leben bringen.


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