Am liebsten packt er selber an

  05.06.2017 Möhlin, Persönlich, Porträt, Unteres Fricktal

Von Janine Tschopp

Seit 5 Uhr morgens ist Marcel Henrion an diesem Tag unterwegs und beliefert Kunden in der halben Schweiz. Nun ist es kurz nach 16 Uhr, und er kommt von seiner Tour nach Hause. Als er in den Pausenraum der Holzhandels-Firma, die er mit seiner Frau vor 22 Jahren gründete, eintritt, sieht er im ersten Moment ein bisschen abgekämpft aus. Er sucht sich in der Küche einen kleinen Happen zu essen und erzählt der Journalistin von seinem Tag und warum für ihn der direkte Kundenkontakt so wichtig ist. «Du erfährst nie mehr, als wenn du direkt an der Front bist. So spürst du auch, falls einem Kunden irgendwo ‹der Schuh drückt›». Er sei nie ein Bürogummi gewesen. «Es muss immer rattern und brummen, dann ist gut», lacht der gelernte Schreiner und erklärt, dass er in all den Jahren seiner Selbständigkeit immer am liebsten selber angepackt hat. «Ich steige auch gerne bei einem Kunden aufs Dach und zeige ihm, wie man ein Dachfenster einbaut.»

Schon in den ersten zwei Minuten des Gesprächs merkt man ihm nichts mehr an von seinem anstrengenden Arbeitstag. Er strotzt bereits wieder vor Energie. Sein Tag ist auch noch lange nicht zu Ende: «Nachher gehe bei einem Kollegen den Boden legen. Das habe ich versprochen.»

Langsam kürzertreten

Die Möhliner Holzhandelsfirma «Holzparadies» hat Marcel Henrion zwischenzeitlich an seinen Sohn übergeben. Der 58-Jährige will sich langsam aus dem Geschäft zurückziehen und arbeitet offiziell noch in einem 60-Prozent-Pensum. «Jetzt arbeitet er einfach nur noch 100 Prozent», schmunzelt sein Sohn Joël. Ziel ist, dass er mittelfristig an zwei Tagen pro Woche frei hat. Für einen Mann wie Marcel Henrion, der sich am wohlsten fühlt, aktiv zu sein, heisst «frei haben» beispielsweise als Bademeister und Masseur im «Sole Uno» zu arbeiten. In wirklich freien Stunden geniesst er es aber auch seine Grosskinder zu hüten oder mit seiner Frau Golf zu spielen. «Bisher habe ich noch nie einen Sport kennengelernt, der mir seelisch und geistig so viel gegeben hat wie das Golf spielen.» Zudem findet er es schön, dass er diesen Sport gemeinsam mit seiner Frau betreiben kann.

«Es gab nur mich»

Intensiv Sport zu treiben und körperlich extrem fit zu sein ist für den Möhliner sehr wichtig. In jungen Jahren spielte er Handball beim TV Möhlin. Im Alter von 31 Jahren entdeckte er den Laufsport. Er absolvierte Waffenläufe in der ganzen Schweiz und war Mitglied der CISM-Marathon-Nationalmannschaft. «Wir haben damals beim Militärmarathon mehrmals im Team die Länderkämpfe gewonnen. Es ist ein schönes Gefühl, ganz oben auf dem Podest zu stehen, wenn die Schweizer Nationalhymne gespielt wird.»

Während einigen Jahren hat sich Henrion neben seiner Arbeit, er war damals noch bei einer Firma in Füllinsdorf angestellt, vollkommen auf den Sport konzentriert. An zwei Marathons und zirka 15 Waffenläufen nahm er jedes Jahr teil. Zum Training gehörte sein Arbeitsweg von Möhlin nach Füllinsdorf, den er tagtäglich zu Fuss absolvierte. «Am Morgen nahm ich den direkten Weg und abends lief ich via Giebenach, Olsberg, Magden, Maisprach, Zeiningen, ein zweites Mal über Maisprach und dann heim nach Möhlin.» Pro Jahr lief er durchschnittlich 4500 Kilometer. «Ich habe mich damals stark auf meine sportlichen Ziele fokussiert. Es gab nur mich. Meine Familie hat in jener Zeit gelitten.» Für Marcel Henrion, der sich selber als «sehr ehrgeizig» bezeichnet, ist Sport auch heute noch wichtig.

Vor fünf Jahren wurde bei Marcel Henrion eine Krankheit diagnostiziert und er musste sich einer Operation unterziehen. «Ab diesem Zeitpunkt habe ich körperlich ein bisschen abgegeben.» Er merke, dass er seither nicht mehr ganz so viel Kraft habe.

«Fit zu sein ist ein erhabenes Gefühl»

«Auch wenn ich kaum mehr an Wettkämpfen mitmache, bin ich immer noch ‹sportsüchtig›. Fit zu sein ist ein erhabenes Gefühl. Es ist wunderbar, während einem Lauf mit deinem Körper zu kommunizieren, und dieser sagt dir genau, wann du angreifen sollst oder in welchen Phasen des Laufs du dich zurückhaltest sollst.»

Wettkämpfe will er mit einer Ausnahme heute keine mehr absolvieren: «Am Murtenlauf möchte ich, wenn ich 60 Jahre alt bin, nochmals mitmachen, und in meiner Kategorie unter den ersten zehn Teilnehmern klassiert sein.» Er habe an diesem Volkslauf, der von Murten nach Fribourg führt, in jeder Alterskategorie, in welcher er teilgenommen habe, einen Platz unter den ersten Zehn erreicht. Das wolle er auch in der Kategorie M 60 beibehalten.

Aktive Erholung

Auch an den Wochenenden und in den Ferien gibt es für Marcel Henrion kein Faulenzen. Zusammen mit seiner Frau ist er daran, Ferienwohnungen im Tessin, dort wo er geboren wurde und die ersten zwei Lebensjahre verbrachte, zu renovieren. Im Dorf Scaiano am Lago Maggiore baut er alte Häuser zu kleinen Bijous um. «Ich habe schon über zehn Tonnen Material vom Fricktal dorthin transportiert.» Für den einstündigen Weg vom Dorf auf die Alp, wo er ebenfalls Wohnungen umbaut, nimmt der Sportler natürlich nicht den Warenlift. Selbst wenn er Material dabei hat, hindert ihn das nicht daran, die 500 Höhenmeter zu Fuss zu gehen. «Das ist Fitness», lacht er. Und eben: Es wäre nicht Marcel Henrion, wenn er den bequemen Weg wählen würde.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote