«Es ist unglaublich wichtig, in jedem einzelnen Moment präsent zu sein»

  27.10.2016 Brennpunkt, Persönlich, Musik, Kultur, Kunst, Unteres Fricktal

Von Janine Tschopp

«Das Blumenmädchen geht mir leichter von der Hand, aber die vornehme Lady hat mich privat weitergebracht», antwortet sie auf die Frage, welche Rolle ihr mehr entspreche. Sie präzisiert: «Um die feine Dame überzeugend darzustellen, habe ich mich stark mit ihrer Körpersprache auseinandergesetzt. ‹Contenance› war angesagt. Anscheinend hat sich dies auch auf mich als Privatperson ausgewirkt. Freunde sagen mir, dass sich meine Ausstrahlung in den letzten Monaten verändert habe.»

Lisa Weiss spielt im Musical «My Fair Lady», das momentan von der Fricktaler Bühne in Rheinfelden aufgeführt wird, die weibliche Hauptrolle Eliza Doolittle. Während des Stücks wandelt sie sich durch den strengen Unterricht von Sprachprofessor Henry Higgins vom einfachen Blumenmädchen mit einem schrillen Dialekt und einer ungehobelten Ausdrucksweise zur feinen Dame, die von allen Seiten bewundert und begehrt wird.

«Es ist eine grosse Chance»

«Vielleicht stellt mein Umfeld auch eine Veränderung meiner Ausstrahlung fest, weil ich mit der aktuellen Produktion total glücklich bin. Es ist eine grosse Chance und Freude, dass ich diese Rolle spielen darf», erklärt Lisa Weiss. Sie sei von Jonas Ehrler, der zusammen mit Renato Botti die musikalische Leitung des Stücks innehat, zum Vorsingen angefragt worden. «Warum denn nicht eine Rolle in einem Musical? So etwas habe ich noch nie gemacht. Probieren wir’s doch einfach aus», sagte sich die 29-Jährige. Lisa Weiss‘ gesangliches Repertoire reicht vom deutschen und italienischen Barock bis zum romantischen Lied, wie zum Beispiel Schubert, Schumann, Brahms und Mahler.

Sie erhielt die Zusage für die weibliche Hauptrolle des Musicals. Ab Mitte August wurde intensiv geprobt. «Die Proben waren spannend und produktiv», sagt Lisa Weiss. Das Verhältnis mit der Regie, der musikalischen Leitung und den Kollegen und Kolleginnen auf der Bühne sei sehr angenehm und es gebe viele freundschaftliche Verbindungen. «Die guten Gespräche und das nähere Kennenlernen ergaben sich auch durch das gemeinsame Zugfahren.» Denn viele Mitglieder des Ensembles, so auch der männliche Hauptdarsteller Bodo Krumwiede, haben ihren Wohnsitz wie Lisa Weiss in Zürich.

Sie hat selber zur Feder gegriffen

Ihren Text als Blumenmädchen mit dem starken Akzent hat Lisa Weiss, in Zusammenarbeit mit dem Regisseur Christian Vetsch, von der «Wiener Fassung» des Musicals in ihre eigene Muttersprache, in das Tirolische, übersetzt. Lisa Weiss stammt aus Innsbruck und lebte dort, bis sie 2010 für ihr Gesangs-Studium nach Basel und zwei Jahre später nach Zürich zog. Parallel zu ihrem Gesangsstudium in Basel schloss sie das Kontrabass-Studium in Innsbruck ab. An der ZHdK (Zürcher Hochschule der Künste) schloss sie in der Klasse vom deutschen Opernsänger Werner Güra den Master für Gesangspädagogik mit Auszeichnung ab. Derzeit führt sie ihr Studium in Gesangsperformance bei Güra in Zürich weiter und gibt Privatunterricht in Gesang. «Es ist spannend, zusammen mit den Schülern und Schülerinnen an ihren Stimmen zu forschen und ihre eigene Motivation am Singen zu fördern.» Freude machen ihr auch die verschiedenen musikalischen Projekte, bei welchen sie als Sängerin oder Instrumentalistin (mit Kontrabass oder E-Bass) mitwirkt.

Die Musik begleitet sie seit ihrer Kindheit

Schon an der Hochzeit ihrer Tante, als Lisa Weiss sechsjährig war, hatte sie einen Gesangsauftritt. «Für mich war das ganz normal. Ich habe als Kind immer gesungen. Beim Spaziergehen habe ich Geschichten erfunden und diese vorgesungen.» An der Musikhauptschule in Innsbruck, welche Lisa Weiss im Alter von 10 bis 14 Jahren besuchte, spielte sie die Hauptrolle in einem Kindermusical. «Ich war Lilly, die Lerche», lacht sie.

Während des Gesprächs mit der NFZ ruft Lisa Weiss‘ Mutter aus Innsbruck an: «Ja, des hab i eh erzählt», sagt sie im Tiroler Dialekt, als ihre Mutter ihr anhand von Beispielen bestätigt, dass Singen bei Lisa seit ihrer Kindheit an der Tagesordnung war.

«Ich freue mich auf heute Abend»

Wieder zurück in der Gegenwart sitzt die Sängerin in einem Restaurant in Rheinfelden. In wenigen Stunden beginnt die erste Vorstellung nach der Premiere. Wie fühlt sie sich? «Ich freue mich auf heute Abend.» Das gute Gefühl, das sie nach der Premiere erfüllte, hat sie die letzten Tage mitgenommen. «Nach der Premiere fühlte ich mich super. Ich war gut vorbereitet, und die Energie stimmte.» Selbstkritisch ergänzt sie: «Hundertprozentig bin ich nie zufrieden. Ich werde diese Sachen heute Abend verbessern.» Sie schmunzelt: «Dafür wird mir vermutlich anderes passieren.» Womit war sie denn nicht zufrieden? «Es kam vereinzelt vor, dass ich mich nicht genügend auf den nächsten Ton vorbereitete, und dieser dann zu hart klang. Musik ist eine Momentkunst. Es ist unglaublich wichtig, in jedem einzelnen Moment vollkommen präsent zu sein.»

Was sind Lisa Weiss‘ Wünsche für die Zukunft, wenn sich nach der Derniere am 26. November der Vorhang im Rheinfelder Bahnhofssaal schliesst? «Ich wünsche mir, weiterhin vom Singen leben zu können. Neben dem ‹Engagiert-werden› wünsche ich mir, eigene Projekte realisieren zu können. Ich habe viele Ideen im Hinterkopf.» Einige davon, wie zum Beispiel die Vertonung ihrer eigenen Gedichte, habe sie bereits umgesetzt. «Dann», fährt sie fort, «wünsche ich mir, auch in Zukunft langfristig mit tollen Menschen künstlerisch zusammen zu arbeiten.»

Lisa Weiss ist als Eliza Doolittle in «My Fair Lady» zu erleben. Die Fricktaler Bühne führt das Musical noch bis am 26. November auf. Informationen und Tickets unter fricktalerbuehne.ch.


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