Das Jahrbuch der Fricktalisch-Badischen Vereinigung für Heimatkunde: Nazis, Saurier und ein Schlapphut

  17.07.2016 Bücher, Oberes Fricktal

Von Boris Burkhardt

FRICKTAL. So vielfältig kann die Beschäftigung mit Geschichte und Archäologie in unserer Region sein: Die drei Aufsätze, die den grössten Teil des Jahrbuchs 2015 der FBVH bilden, haben thematisch nichts miteinander zu tun. Sie verbindet jedoch das breite Interesse der insgesamt 750 Vereinsmitglieder, akademische Profis genauso wie heimatkundlich interessierte Amateure, die sich im Gebiet zwischen Rheinfelden, Todtmoos, St. Blasien und dem Jura geschichtlich einbringen. 950 Exemplare des Jahrbuchs unter dem Titel «Vom Jura zum Schwarzwald» wurden gedruckt und können für 30 Franken im Buchhandel erworben werden.

«Ohne private Hilfe hätte ich es nicht geschafft»

Es war der Archivar von Bad Säckingen selbst, der die braune Vergangenheit seiner Stadt durchleuchtete und sie in einer Ausstellung im Säckinger «Haus Fischerzunft» vor zwei Jahren veröffentlichte. Peter Ch. Müller hat seine Forschungsergebnisse nun auch im Jahrbuch zusammengefasst und durch neue Quellen erweitert. 20 Jahre lange beschäftigte er sich mit dem Thema; und die Recherche war nicht einfach: Wie an vielen Orten wurden die Dokumente gegen Ende des Krieges verbrannt. So war Müller abhängig von Bildern, Dokumenten und Briefen, die die Bad Säckinger noch daheim aufbewahrten: «Ohne private Hilfe hätte ich es nicht geschafft.»

Müller begegnete dabei offensichtlich einem Phänomen, das erst beim zweiten Nachdenken logisch ist: Hiess es bisher immer, man müsse die Zeitzeugen noch schnell interviewen, solange sie noch lebten, so fand Müller, dass die Generation, die den Krieg nicht mehr erlebt hat, eine «sachlichere Einstellung» zur NS-Zeit habe. «In den 80er-, 90er-Jahren waren die Leute noch sehr zurückhaltend, um keine Verwandten oder Bekannten zu belasten», berichtet der Stadtarchivar. Die Nachkommen gingen weitaus grosszügiger mit den Unterlagen um, auch wenn sie die eigene Familie belasteten. Eine seiner wichtigsten Quellen war auch das Tagebuch einer Schweizer Grenzkompanie in Stein.

Die Beziehung zur Schweiz

In seinem Aufsatz spielt natürlich auch die unmittelbare Nähe zur Schweiz eine Rolle: Die Beziehungen zum demokratischen Nachbarn konnten die Nazis nämlich nie komplett unterbinden. Noch im Krieg arbeiteten Schweizer Grenzgänger zum Beispiel in der Seidenfabrik GmbH, der Färberei Lenz-Sutter oder in der Uhrenfabrik Paul Gärtner. Ab 1943 zogen vier kriegsrelevante Betriebe aus den zerbombten Grossstädten nach Säckingen; die Stadt war aber nur ein einziges Mal, am 4. Januar 1945, einem Luftangriff ausgesetzt. Müller schreibt dies der «Gnade der Schweizer Nachbarschaft zu». Kurz vor Kriegsende nahm die Schweiz auch Zwangsarbeiter aus Säckingen auf. 

Besonders erwähnenswert ist der deutsch-schweizerische Alemannentag, der am 20. August 1933 in Säckingen stattfand: An ihm sprach der badische Gauleiter Robert Wagner ganz offen davon, wie der Nationalsozialismus auch in der Schweiz die Oberhand gewinnen werde. Die «Angst vor ‚Umarmung‘ oder sogar vor dem ‚Anschluss‘ an das ‚Dritte Reich‘ war nicht unbegründet», schreibt Müller. Die Fricktalisch-Badische Vereinigung für Heimatkunde selbst litt unter dem Argwohn der Nazis: Offensichtlich hat sich der Verein nie vom damaligen Schwund der badischen Mitglieder erholt, die auch heute nur ein Drittel ausmachen.

Der «Schlapphut auf der Spur»

Die Inventarisatorin von Kunstdenkmälern beim Kanton Aargau, Edith Hunziker, erzählt eine «Kunstgeschichte spannend wie ein Krimi». Sie beschäftige sich mit den Silberschmiedearbeiten im Bezirk Laufenburg, vor allem in den Kirchen. Während die «Ortsmarken» der grossen Silberschmieden, die in die Gegenstände gedruckt wurden, bekannt sind, ging Hunziker der Herkunft eines Zeichens nach, das sie wegen seiner Ähnlichkeit zu einem breitkrempigen Hut «Schlapphut» taufte. Es taucht im Fricktal zu oft auf, um ignoriert werden zu können. Hunziker war erfolgreich; das Ergebnis ihrer Krimi-Arbeit sei hier aber nicht vorweggenommen.

Der Dino und der Schmelzschuppenfisch

Zum dritten Hauptthema, den Dinosaurierfunden des vergangenen Jahres in der Grabung in Frick, merkt Jahrbuchredaktor Linus Hüsser aus Ueken an, dass es sich genaugenommen ja nicht um «Geschichte» handle, die ja vom Menschen erzähle. Aber Teil der Heimatkunde sei eben auch die Naturgeschichte, wie die FBVH schon mit Aufsätzen über den Wald und die Botanik der Region bewiesen habe. Andrea Oettl vom Sauriermuseum in Frick stellt deshalb einen fast vollständigen, acht Meter langen Plateosaurus (eventuell sogar erstmals mit Haut) und die Reste eines Schmelzschuppenfisches als Höhepunkte des Jahres 2015 vor.  

 

Fricktalisch-Badische Vereinigung für Heimatkunde (FBVH)

Hinter diesem sperrigen Namen verbirgt sich einer der grössten Geschichtsvereine der Region. Besonders macht ihn aber vor allem, dass er als einziger binational ist. Die FBVH wurde 1925 von Akademikern gegründet, in der Region beiderseits des Rheins, das bis 1803 zu Vorderösterreich gehörte. Der Verein hat derzeit 750 Mitglieder, wobei zwei Drittel Schweizer sind. (bob)

www.fbvh.org

 


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