«Trotz allem Ärger bin ich immer noch in der Kirche»

  09.06.2016 Kaiseraugst, Persönlich, Religion, Porträt, Unteres Fricktal

Von Janine Tschopp

«Die Pastoralräume lösen das Problem des Seelsorgermangels nicht», ist Lisbeth Dudler überzeugt. Sondern: «Das Zölibat sowie das Verbot des Frauenpriestertums müssten abgeschafft werden. So würde unsere Kirche ein Zeichen setzen, dass wir uns in der heutigen Zeit und nicht mehr im Mittelalter befinden.» Und weiter: «Nur weil Jesus ein Mann war, soll das nicht heissen, dass nur Männer Priester werden können.» Seit 2003 ist Lisbeth Dudler Mitglied der Kirchenpflege Kaiseraugst. Präsidentin ist sie seit 2011. Kürzlich wurde sie in einer Zeitung als «Rebellin» bezeichnet, weil sich ihre Kirchgemeinde seit Jahren gegen das Mitmachen bei den Pastoralräumen wehrt. «Es gab schon diverse Gespräche mit dem Bischof von Basel und dem Bischofsvikar Christoph Sterkman. Wir sind uns einig, dass wir uns nicht einig sind», fasst Dudler zusammen. «Trotz allem Ärger bin ich immer noch in der Kirche. Ich bin katholisch bis ins Mark, weil ich so aufgewachsen bin. Ich bin aber nicht konservativ katholisch», betont sie. Vieles, «was von Rom kommt», kann die Katholikin nicht unterstützen. «Als ich noch ein Kind war», erzählt die 67-Jährige, «hat man nicht hinterfragt, ob die Haltung des Papstes richtig ist.» Als Papst Paul VI aber 1968 in seiner «Enzyklika Humanae vitae» die künstlichen Methoden der Empfängnisverhütung verbot, war Lisbeth Dudler im Teenager-Alter. Schon damals war für sie diese konservative und weltfremde Haltung nicht verständlich. «Dass später Johannes Paul II auf seinen Reisen, auch in die ärmsten Länder, daran festhielt und den Gebrauch von Kondomen verdammte, sehe ich angesichts der katastrophalen HIV-Infektionsraten, vor allem im südlichen Afrika, als unchristliche Haltung», so Dudler. «Der Papst, welcher heute an der Macht ist, weckt Hoffnungen. Er wirkt sehr menschlich und sympathisch.»

In ihrer Pfarrei in Kaiseraugst fühlt sich Dudler «zu Hause». Seit bald 50 Jahren singt sie beim katholischen Kirchenchor «Vox Raurica». An der letzten Generalversammlung wurde ihr und sechs weiteren langjährigen Mitgliedern die päpstliche Verdienstmedaille «Benemerenti» verliehen. «Beim Singen kann ich mich gut entspannen. Auch viele meiner Freunde singen im Chor mit.» Sie war noch Schülerin, als sie für das Mitsingen im Chor angefragt wurde. «Die Chorprobe war jeweils eine gute Gelegenheit, um abends auszugehen», schmunzelt sie.

Ein Leben lang in Kaiseraugst

Als Zweijährige kam Lisbeth Dudler mit ihren Eltern nach Kaiseraugst und ist dort bis heute geblieben. Ihr Vater war in Kaiseraugst Stationsvorstand. «Das Dorf ist ideal gelegen. Man wohnt nicht direkt in der Stadt, und trotzdem ist man schnell dort.» Das Gymnasium und die Universität besuchte sie in Basel. Auch ihre Arbeitsstellen befanden sich in Basel. Sie arbeitete als akademisch-technische Assistentin in der Grundlagenforschung am Institut für Immunologie und später im Labor für pränatale Medizin am Frauenspital. Vor neun Jahren wurde sie aufgrund von Umstrukturierungen frühpensioniert.

Langeweile kennt die Rentnerin nicht. Ihr Amt als Kirchenpflege-Präsidentin sowie die Mitgliedschaft bei Vox Raurica halten sie auf Trab. Zudem hört sie gerne klassische Musik oder liest. «Bis ich am Morgen schon nur meine beiden Tageszeitungen sowie die E-Mails gelesen habe, ist schon viel Zeit vergangen», sagt Dudler, die sich selber als Spätaufsteherin und «Morgenmuffel» bezeichnet. Gerne würde sie sich wieder einmal dem Klavierspielen, das sie vor vielen Jahren gelernt hat, widmen, aber: «Da müsste man üben, und da habe ich meistens keine Zeit dafür.» Ihr Amt als Präsidentin der Kirchenpflege erfordert viel Schreibarbeit. Derzeit beschäftigt sie stark, dass der kirchliche ökumenisch erteilte Religionsunterricht an der Heilpädagogischen Schule (HPS) in Rheinfelden seit dem aktuellen Schuljahr ausserhalb vom Stundenplan durchgeführt wird. «Weil die Kinder nun extra für den Religionsunterricht in die Schule gefahren werden müssen, sind es nur noch 65 Prozent der HPS-Schüler, welche den Religionsunterricht besuchen.» Die katholischen und reformierten Kirchenpflegen der betroffenen Gemeinden im Bezirk Rheinfelden sind sich einig, dass der Religionsunterricht für die HPS-Schüler wieder in den Stundenplan integriert werden muss. «Nun hoffen wir, mit Hilfe der beiden Landeskirchen und der Aargauischen Regierung eine Lösung zu finden.»

Schon weit gereist

Lisbeth Dudler hat schon viele Reisen unternommen. Anfang Jahr besuchte sie Freunde in Neuseeland und Australien. Ihre Schwester lebte aufgrund ihrer Arbeit beim EDA immer wieder in anderen Ländern. «Ich besuchte sie in Kanada, Italien, Polen, Portugal, Finnland, Südafrika, Südkorea, Norwegen, Zypern und Österreich.» Dudler hat auch schon vier Reisen nach Afrika (Kalahari) unternommen. Umgeben von Elefanten und Giraffen begibt sie sich dann zusammen mit einer Reisegruppe mitten in die Wildnis. «Einmal begegneten wir einem Löwen, der nur etwa fünfzehn Meter von uns entfernt war. Dann kamen noch ein zweiter und ein dritter dazu. Die Tiere waren nur neugierig und schauten sich ein bisschen um», schildert Dudler eines ihrer eindrücklichsten Reise-Erlebnisse. Stolz zeigte sie die Fotos, die sie von den Löwen gemacht hatte. Nächstes Jahr unternimmt sie bereits ihre fünfte Fotosafari nach Afrika. Sicher wird sie dort Gelegenheit haben, ihre eindrückliche Fotosammlung zu erweitern.


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