«Immer mehr Menschen interessieren sich für Bio-Produkte»

  05.03.2016 Frick, Oberes Fricktal, Landwirtschaft, Unteres Fricktal, Haustiere

Von Boris Burkhardt

Alfred Schädelis Wollschweine scheinen das Klischee von teuren, exklusiven Bio-Lebensmitteln zu erfüllen: Die Mast dauert anderthalb statt lediglich ein halbes Jahr wie beim gewöhnlichen Hausschwein und seine Tiere bringen weniger Fleischertrag. Auf seinem Hof in Frick hält der Landwirt zehn bis fünfzehn Tiere dieser ursprünglichen Schweinerasse, die allesamt mit krausem, schwarzem Haar bedeckt sind. «Normale Schnitzelesser könnten enttäuscht sein», sagt Schädeli: Das Fleisch, das vor allem in Österreich und Ungarn Tradition habe, enthalte «sehr viel Fett».

Für Stefan Ackle vom Kräuterwerk im Strohturm in Densbüren ist die Tendenz klar: «Immer mehr Menschen interessieren sich für Bio-Produkte.» Das Kräuterwerk hat sich auf Rindfleisch und Kräuter spezialisiert und sich einen festen Kundenstamm erarbeitet. «Die Kunden wollen, dass man sich um sie kümmert und sie informiert», sagt Ackle. Auch er gibt jedoch zu: «Es ist nicht nur eine Qualitätsfrage; es ist auch eine Preisfrage.»

Bio ist nicht billig, oder?

Doch es muss ja nicht immer die Haute Cuisine sein, auch bei Bio nicht. Lebensmittelexpertin Regula Bickel bestätigt, dass Bio in der Schweiz immer beliebter wird, so auch im Fricktal, wo es allerdings keine eigenen regionalen Zahlen gibt: «Es kommt sehr stark darauf an, welches Bio man will.» Neben Nischenprodukten wie Schädelis Wollsäuen gebe es ja auch «Mainstream-Bio» bei Aldi und Lidl. Dort seien die Zutaten nicht weniger «bio» als bei den teureren «Knospe»-Produkten von Bio Suisse. Der Unterschied liege in strengeren Kriterien zur Produktqualität: So dürften «Knospe»-Produkte auch keine natürlichen Aromen oder Färbungsmittel enthalten und nur eingeschränkte Verarbeitungstechnologien verwenden.

«Welche Qualität mit der ‹Knospe› ausgezeichnet werden darf, führt zu vielen Diskussionen», fährt Bickel fort: Die einen empörten sich, dass ultrahocherhitzte Milch überhaupt als Bioprodukt verkauft werden dürfe, während die anderen Erdnuss-Flips oder Süssmost aus Konzentrat nach Bio-Suisse-Kriterien befürworteten. Der Druck sei von beiden Seiten da: «‹Knospe›-Produkte sollen gleichzeitig Mainstream werden und exklusiv bleiben.»

Kühe mit Hörnern

Bickel arbeitet beim Forschungsinstitut für Biologischen Landbau, kurz FiBL, in Frick. Dem FiBL gehört auch der Hof Alfred Schädelis, den er mit seiner Partnerin Bronya Dehlinger gepachtet hat, und in eigener Verantwortung bewirtschaftet. Auch er nimmt es noch etwas genauer als der «Mainstream-Bio». «Meine Kühe haben alle noch Hörner», erklärt er. Die Philosophie des «biologisch-dynamischen» Landbaus beruht auf Rudolf Steiner. Schädeli wurde nicht anthroposophisch erzogen; beschäftigte sich aber als Erwachsener mit Steiners Lehren. Schädeli sieht in den Hörnern ein Stoffwechselorgan: «Die Stoffwechselleistung der Wiederkäuer ist enorm.» Ihnen fehlten die Eckzähne und die oberen Schneidezähne; dafür hätten sie als einzige Tiere vier Mägen sowie Hörner auf der Stirn: «Das scheinen mir sehr interessante Zusammenhänge zu sein.» Auch bei der Getreideaussaat achtet Schädeli auf die Mondphasen.

Der FiBL-Hof bewirtschaftet insgesamt 37 Hektar, laut Schädeli knapp die Hälfte davon in Hanglage mit Naturwiesen zum Weiden oder Heuen sowie mit Obstanlagen. Auf 16 Hektar werden Soja, Weizen und Dinkel sowie in geringerem Umfang Roggen in einer Fruchtfolge abwechselnd mit Kleegras angepflanzt. Neben Schädeli und Dehlinger arbeiten ein Festangestellter «und ab und zu ein Praktikant oder ein Zivi» auf dem Hof. Da die beiden Pächter alleine wirtschaften, spielt Geld immer eine Rolle: So mussten die Käserei-Gerätschaften, mit denen Schädeli und seine Partnerin seit Anfang Februar eigenen Hartkäse herstellen, erst als Occasionen zusammengekauft werden.

Alfred Schädeli übernahm den FiBL-Hof vor sechs Jahren. Der 50-Jährige stammt aus dem Bernbiet, wo sein Bruder den elterlichen Hof bewirtschaftet, ebenfalls in «bio». Schädeli arbeitete zunächst selbst im FiBL, wo er für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig war. «Irgendwann hatte ich dann genug vom Büro und wollte selbst umsetzen, was ich früher predigte», erzählt er heute lachend.

Schädelis Engadinerschafe, sechs Auen und neun Lämmer, verdienen sich ihr täglich Brot gleich bei der Arbeit: Schädeli hält die Tiere vor allem zum Rasenmähen an Böschungen und in den Reben des FiBL. Schädeli versorgt seine Tiere zu 95 Prozent aus eigener Futterproduktion. Die Wollsäue sind zum Glück sehr genügsam: «Sie fressen Molke, Küchenabfälle und abgelaufene Lebensmittel.» Doch nach dem trockenen Sommer 2015 musste er die Kuhherde von normalerweise 25 auf 18 Tiere reduzieren, um kein Futter zukaufen zu müssen.

Regional ist nicht immer ökologisch sinnvoller

«Ganz klar: Am ökologischsten ernährt man sich natürlich regional und saisonal», sagt Regula Bickel. Wenn man aber auf Südfrüchte und ganzjähriges Angebot nicht verzichten könne, sei es teilweise durchaus günstiger, Obst und Gemüse zu importieren, das in der Schweiz nur mit energiereicher Hilfe wachsen könne: «Nach wissenschaftlichen Berechnungen kann es tatsächlich ökologisch sinnvoller sein, Tomaten aus Italien zu importieren statt sie im Fricktal im beheizten Gewächshaus zu züchten. Die Ökobilanz muss man sehr differenziert betrachten.»

«Städter geben mehr Geld für Bio aus»

Eine weitere spezielle Form des Bio-Landbaus wird auf dem Eulenhof in Möhlin praktiziert: Edi und Käthi Hilpert laden ihre Obst- und Gemüsekunden in der «solidarischen Landwirtschaft» ein, selbst auf dem Feld mitzuarbeiten. Die Kunden erhielten so nicht nur die Ware günstiger, sondern auch einen direkten Bezug zum Hof, wie Bruder Konrad Hilpert erzählt. Er selbst züchtet Pflanzenstauden nach «Knospe»-Richtlinien. Für ihn ist das Bio-Bewusstsein klar eine Angelegenheit der Städter: «Die Menschen auf dem Land denken politisch konservativer.»

Cornelia Brennwald vom Biohof Arbovitis in Frick bestätigt den steigenden Trend in der Stadt. Arbovitis verkauft seine Fruchtsäfte, Essig, Konfitüren und Trockenfrüchte auf den Märkten in Basel und Zürich: «In der Stadt geben die Menschen mehr Geld für Bioprodukte aus. Auf dem Land haben alle selbst Bioware; das sagen uns auch die Kunden zum Beispiel auf dem Markt in Frick.» Im Kanton Aargau war die Zahl der Biohöfe an allen landwirtschaftlichen Betrieben 2015 mit 8,4 Prozent noch immer gering. Immerhin kamen im vergangenen Jahr zwölf neue zu den bestehenden 246 «Knospe»-Betrieben.

Während Wollschweine und Engadinerschafe von der Schweizer Stiftung «Pro Specie Rara» gefördert werden, retteten Schädeli und seine Partnerin 63 Junghähne aus persönlicher Motivation vor dem sofortigen Tod: Während sie auf dem FiBL-Hof nun vor der Schlachtung ein quasi christliches Leben von Weihnachten bis Pfingsten leben dürfen, wären sie in der hochspezialisierten Legehennenproduktion sofort nach der Geburt geschreddert worden. «Huhn mit Bruder» nennt sich dieses Projekt eines Geflügelhalters im Zürcher Oberland. Und auch wenn Schädeli mit seinen Güggel weniger schnell Geld verdient, tun sie seinem Gewissen gut: «Früher habe ich einfach die Legehennen gekauft und das Schicksal ihrer Brüder verdrängt.»


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