Der Kies-Reflex

  18.05.2018 Leserbriefe

Zu den Kiesprojekten im Grenzgebiet Rheinfelden-Möhlin. 

Bevor die Klingen im bevorstehenden Abstimmungskampf gekreuzt werden, wäre ein distanzierter Blick auf die geplante Kiesgrube im Grossgrüt und das Kieswerk im Chleigrüt nützlich. Dieses ähnelt dem vor zwei Jahren abgelehnten Deponieprojekt nämlich in vielen Aspekten so sehr, dass eine Wiederholung der gleichen Denkweise vermutet werden darf. Das Deponieprojekt im Wäberhölzli fand aus-serhalb Rheinfeldens kein Verständnis. Aber fast die Hälfte der Stimmenden in Rheinfelden waren damit einverstanden, obwohl damit eine Selbstschädigung verbunden war: Das «liebens- und lebenswerte» Rheinfelden wäre deutlich gemindert worden. Zwei Jahre später wird jetzt eine noch viel massivere Beeinträchtigung beantragt: Der grüne Streifen, der Möhlin und Rheinfelden noch trennt, soll in eine Kiesgrube und ein Kieswerk verwandelt werden. Wiederum ist das Motiv unklar und wiederum wird dabei mit dem überstrapazierten Wort «Ökologie» geworben. Die Reihe der Kiesgruben ist Rheinfeldens stolz: Hier nur zwei Beispiele: Bei der «Landi» wird immer noch grossflächig gegraben, und – was viele nicht mehr wissen – die Autobahn Pratteln-Belchentunnel ist zum grossen Teil mit Rheinfelder Kies gebaut worden. Bei dieser Kette von Repetitionen muss man eine Erklärung suchen, die eher im Verhalten als im Kies vermutet werden darf. In der Geschichte findet man dazu den Begriff des «Reflexes»: Der «Kreuzzugreflex» bewirkte eine kaum mehr bestimmbare Zahl von Kreuzzügen. Wenn der Grossvater und der Vater nach Jerusalem gezogen waren, ging der Sohn traditionsgemäss auch ins Heilige Land, unbesehen der vielen Niederlagen. Ebenso ritten französische Ritter etwas später gleich dreimal - und dies völlig gleichartig – in den Pfeilregen englischer Bogenschützen, jedes Mal ins gleiche Blutbad. Man repetierte wegen der Tradition, und dachte nicht weiter nach. Offenbar erliegt Rheinfelden auch einem solchen Reflex: Man gräbt nach Kies, weil man es immer tat. Sogar der Gemeindeammann begründete die drohende Durchlöcherung des Grossgrüts mit «Tradition». Im Klartext: Rheinfelden kann gar nicht anders, es folgt nur einem inneren Befehl, die vorgebrachten Begründungen brauchen deshalb auch keine Tiefe. Dass diese Kies-Tradition nicht immer weiter gehen kann, liegt auf der Hand. Rheinfelden ist stark gewachsen und braucht deshalb für Einwohner und Natur (Wildtierkorridor!) sein grünes Umland –schliesslich will es ja «liebens- und lebenswert» bleiben. Zudem ist es unterdessen so reich geworden, dass die beste Werterhaltung des noch vorhandenen Kieses eindeutig die im Boden ist. An der Gemeindeversammlung vom 13. Juni können die Stimmberechtigten Rheinfeldens den unzeitgemäss gewordenen «Kiesreflex» Rheinfeldens brechen. Dazu braucht es viele Anwesende: Die übliche 3%- Versammlung lässt sich nämlich leicht steuern – im Sinne des Kiesreflexes!

JÜRG KELLER, RHEINFELDEN


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