Raubtiere auf der Durchreise

  13.04.2018 Nordwestschweiz

Fotofalle lichtet Luchs B518 beim Fressen ab

Ein Luchs hat sich in Reigoldswil und Titterten blicken lassen. Das Tier mit der Nummer B518 ist jedoch nicht alleine unterwegs. Zusammen mit seinem Jungen B622 hat es sich an der örtlichen Rehpopulation bedient.

Caroline Füllemann

«Luchse können am besten als heimlich beschrieben werden. Wirklich ängstlich sind sie nicht», sagt der Reigoldswiler Wildhüter Yannick Steffen. Bis ins Dorf schlich sich ein unbekannter Luchs vor einigen Tagen in Reigoldswil. Mit den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne habe sich das Tier aber schon wieder aus dem Staub gemacht. Zurück blieb nur ein totes Reh, das der Luchs ins Dorf geschleift hatte. Der Alltag in Reigoldswil habe den Luchs wohl davon abgehalten, zu seiner Beute zurückzukehren, obwohl dieses Verhalten von den Tieren zu erwarten ist. Nicht ganz so diskret wie der Artgenosse vor ihr war das Weibchen B518. Ende Februar lief das Tier in eine von Steffen aufgestellte Fotofalle und konnte so identifiziert werden.

Kreisende Milane, Raben und Mäusebussarde hatten den Wildhüter auf einen Rehkadaver auf einem Feld aufmerksam gemacht. Kurzerhand entschloss er sich dazu, das tote Tier zum Waldrand zu transportieren, wo er es an einem Baum festband. «Das ist nötig, damit keine Füchse die Beute wegschleifen», erklärt er. Danach musste er nur noch eine Fotofalle aufstellen und schon hiess es abwarten. Am Abend desselben Tags schlich sich B518 zu seiner Beute zurück und tappte prompt in die Falle.

Luchse wieder weg
Ein Geheimnis, das auf den Fotos nicht ersichtlich ist: Das junge Weibchen ist mit einem Jungtier unterwegs, B622. Die Mutter hatte das Junge für den Beutezug wohl im Wald zurückgelassen. Jagen bedeutet für Luchse eine grosse Herausforderung. 50 bis 70 Rehe pro Jahr müssen die Fleischfresser erwischen, um genügend Nahrung aufzunehmen. Zugunsten des grössten Jagderfolgs verzichtet das Weibchen in der Regel deshalb auf die Unterstützung ihres unerfahrenen Jungen, das ein Reh aufschrecken könnte.

Um den Wildtierbestand macht sich Steffen deswegen aber keine Sorgen. «Luchse haben sehr grosse Reviere von mehreren Hundert Quadratkilometern, weshalb sie sich nur sehr kurz an einem Ort aufhalten.» Für Reigoldswil habe das ungefähr eine Reduktion der Rehpopulation von fünf bis zehn Tieren zu bedeuten. Kleinere Nutztiere seien zwar vom Luchs bedroht, laut Steffen in der Vergangenheit aber zum grössten Teil verschont geblieben. Der letzte Vorfall in Reigoldswil, bei dem ein Schaf einem Luchs zum Opfer fiel, liege bereits zwei oder drei Jahre zurück.

Die Rehe der Region werden durch die Anwesenheit eines Luchses zwar nervöser, Steffen stellt sich aber klar auf die Seite der kleinen Raubkatzen. «Der Luchs ist für unser Ökosystem eine Bereicherung», ist er sich sicher. Nach einem kurzen Aufenthalt in Titterten Anfang März, wo das Weibchen erneut in eine Fotofalle lief, sind die beiden Luchse wieder weitergezogen. So können sich die Rehe der umliegenden Wälder wieder etwas beruhigen. Bis beim nächsten Besuch von B518 und B622 wieder Vorsicht geboten ist.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote