Die Fridolins-Kapelle kommt zu einem Schatz

  15.03.2018 Möhlin

Pro memoria – eine unglaubliche Möhliner Geschichte

Vor fast 270 Jahren verbrennen im Dorfteil Ryburg sechs Menschen in ihrem Haus. Nun ist die Gedenktafel an das Unglück wieder aufgetaucht. Und die hat es in sich.

Ronny Wittenwiler

Es war eine Unglücksnacht. 28. Mai 1750. Bei einem Brand sterben vier Dienstboten und mit ihnen der Hausherr Hans Adam Kym und seine Frau Anna. Auf dem Friedhof bettet man die Toten gemeinsam zur letzten Ruhe. Am Grab erinnert eine Art Schrein an die Tragödie. Ein geschmiedetes Kästchen.

Spurensuche
Historische Quellen berichten von diesem Schrein mit Grabinschrift, und das Aargauer Tagblatt schreibt vor 25 Jahren, am 24. April 1993, diese sich «angeblich in Privatbesitz befindliche Grabplatte ist nicht mehr auffindbar».

Und jetzt kommt Beat Waldmeier ins Spiel. Rund vierzig Jahre schon wusste er von der Existenz der Grabplatte, kannte gar ihren Aufenthaltsort. «Ein Arbeitskollege erzählte von einer Art Schrein, der bei seinen Eltern zuhause auf dem Dachboden liege.» Wohl nach Ende der Grabesruhe muss es gewesen sein. Der Schrein gelangte in Besitz der Nachfahren Kym. Dort blieb er über Generationen.

Beat Waldmeier, leidenschaftlich Wandelnder auf den Spuren der Ryburger Vergangenheit, liess die Geschichte nicht mehr los. Auch weil er nach Recherche in der von Karl Schib 1959 verfassten Chronik «Geschichte des Dorfes Möhlin» plötzlich um die kirchenhistorische Bedeutsamkeit dieser Grabinschrift wusste. Und dann, es war im letzten Jahr, hielt Waldmeier ihn erstmals in seinen Händen. Diesen Schatz. Übergeben von den Erben der Ahnenlinie Kym. «Ich musste versprechen, dass er einen Platz in der Fridolins-Kapelle bekommt.» Waldmeier öffnet vorsichtig das Kästchen. Zum Vorschein kommt ein verblichenes Passionsbild Jesu und die Inschrift mit just dem entscheidenden Hinweis, den Waldmeier seit vierzig Jahren darin zu finden vermutete: Unter den Toten der Brandnacht vom 28. Mai 1750 war eine Auftraggeberin für den Bau der Fridolins-Kapelle.

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«Hier liegen begraben der Ehrsamme Johann Adam Kühm (Kym) und Anna Ruefflin seine Ehe Frau, stiffter der Kapelle St. Fridolin, sambt vier dienstboten, als Chatarina, Ursula, Joseph Akermann, geschwistrige, ein knecht von Zuzgen, welche den 28’ten May 1750 zu Rüburg mit hausz und allem erbärmlich verbrändt worden – R.I.P.A.»

Inschrift auf der Gedenktafel

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Jetzt, knapp 270 Jahre nach der Tragödie, stehen der christkatholische Pfarrer Christian Edringer und Beat Waldmeier mit dieser Grabinschrift in der Kapelle. Und sie wissen, dass die Vergangenheit noch nicht zu Ende erzählt ist. Denn die in der Feuernacht ums Leben gekommene Anna Ruefflin war bereits zuvor einmal eine Ehe eingegangen. Mit einem gewissen Fridolin Graf. Es war der Mann, der laut Überlieferung «in seiner gefährlichen Krankheit am 26. Tag im Juli 1711 anno» im Beisein ebenseiner Anna gelobte, eine kleine Kapelle samt Altar im Dörflein Ryburg aufzurichten. Fridolin Graf starb im Jahr 1730. Elf Jahre zuvor, 1719, wurde der Schlussstein über dem Torbogen «seiner» Kapelle gesetzt. Was für ein Zeitpunkt! Jetzt, knapp 300 Jahre später, bekommt das kleine Gotteshaus, dieses Ryburger Münster, wie es die Einheimischen liebevoll nennen, einen Schatz geschenkt. Eine längst verschwunden geglaubte Inschrift, die der Stifterin der Kapelle gedenkt – und der fünf weiteren Menschen, die am 28. Mai 1750 ihr Leben verloren.


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