Ein Stück näher am Ideal

  24.08.2017 Frick, Persönlich, Sport, Oberes Fricktal, Porträt

Von Stefan Kleiser

Barista im Kaffeehaus, Junioren-Trainerin, Babysitterin: Nadia Pfister ist eine vielseitige Frau. «Und ein Pferd habe ich auch.» Es wurde ihr von der früheren Besitzerin vererbt. «Das Reiten ist definitiv ein Gewinn, es ist für mich ein Ausgleichssport. Und mit dem Ross kann man gut reden, es widerspricht nicht», lacht die 21-Jährige. Von Beruf ist Nadia Pfister aber Squashspielerin. Seit sie 2015 das Gymnasium abgeschlossen hat, fokussiert sie auf Sport. «Nun kann ich das im Training machen, was es braucht, und nicht das, was neben der Schule möglich ist. Und ich kann dort trainieren, wo es mir am meisten bringt.»

Zum Beispiel in Pontefract. Der Ort liegt zwischen Leeds und York, eineinhalb Stunden Autofahrt von Manchester entfernt. In Pontefract gibt es wenig – aber eine tolle Squash-Academy, geleitet von Malcolm Willstrop, der schon drei Weltmeister geformt hat (darunter Sohn James). Pontefract sei ihr empfohlen worden, erinnert sich Nadia Pfister, «und Willstrop ist ein bisschen ein Guru». Also meldete sie sich dort. Seine Antwort: «Ich arbeite bloss mit Spielern, die sich gut benehmen, nur für den Fall, dass du temperamentvoll bist». Also übt die Ramlinsburgerin alle drei Monate für mindestens eine Woche in Pontefract.

Schon immer eine Kämpferin
Ein kurzes Frühstück, alle Dinge für den Tag packen, Kleider, Duschsachen, etwas zu Essen, dann geht es ins Training. «Am Nachmittag arbeite ich, kaufe ein oder haushalte zur Entlastung meiner berufstätigen Eltern», erzählt Nadia Pfister von ihrem Alltag. Dann folgt die zweite Übungseinheit des Tages, duschen, stretchen. «Und danach vergleiche ich oft noch mögliche Turniere oder erledige Reisebüro-Tätigkeiten.» Es sei sehr viel Squash, was sie mache, auch wenn sie nicht im Court stehe. Letzte Woche war sie auf Teneriffa. «Aber ich habe etwa gleich viel Squash gespielt wie ich am Meer war.»

In der Weltrangliste arbeitete sich die Spitzenspielerin aus dem Squashclub Fricktal auf Position 117 vor. Nadia Pfister ist trotzdem nachdenklich. «Weil ich meinen Finanzhaushalt sehe und wie wenig hereinkommt. Ich bin erst an einem ausländischen Turnier mit einer finanziellen Null rausgekommen: In Kiew. Da war der Flug günstig, das Leben billig und das Hotel bezahlt.» Ihr Preisgeld damals: 200 Dollar. «Es interessieren sich einige Leute für mich und mein Squash. Aber nicht solche, die ein paar tausend Franken überzählig haben, um mich für ein Jahr zu unterstützen.»

Ein Kampf war es immer. Denn Nadia Pfister kam erst als 12-Jährige zum Leistungssquash. Als Juniorin war sie darum keine Spitzenspielerin. Das erste Mal ging sie mit dem Vater in den Court. Dann besuchte sie ein Juniorentraining. «Jedes Jahr kamen mehr Trainings dazu, bis es zwölf pro Woche waren. Dann habe ich gesehen, wo es hinführt und wurde immer ehrgeiziger.» 2016 erreichte sie zum ersten Mal die Halbfinals der Schweizer Einzel-Meisterschaft. Und schloss zu denen auf, die schon immer als Talente galten. Der Ehrgeiz habe ihr geholfen, im Squash nach oben zu kommen, weiss Nadia Pfister. «Und eine gewisse Selbstverantwortung.»

Ein Ruhm-und-Ehre-Turnier
Jetzt startet Nadia Pfister an der Einzel-Europameisterschaft in Nottingham. «Da sind die besten Squasherinnen der verschiedenen Länder dabei», freut sie sich auf fünf gute Spiele. «Vielleicht spiele ich gegen die Nummer fünf der Welt! Wo gibt es das sonst schon?» Punkte für gute Ergebnisse bekomme die grossgewachsene Fricktalerin an der EM jedoch keine. Es handle sich nur um ein «Ruhm-und-Ehre-Turnier», sagt sie, die an Position 10 gesetzt ist.

Parat für einen Exploit wäre Nadia Pfister. «Ich habe sehr viel an der Schnelligkeit, der Explosivität und der Koordination gearbeitet. Wir haben meinen Körper so trainiert, dass meine Grösse eine Stärke ist und keine Schwäche. Wir haben an meinem Schwung gearbeitet. Einfach an allem», berichtet sie. «Ich möchte mehr Bälle erreichen und die Freiheit haben, selbst das Spiel schnell oder langsam zu gestalten.» Hat sich Nadia Pfister neu erfunden? «Nein», antwortet sie. «Aber ich bin ein Stück näher an mein Ideal gekommen.»


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