Christina Frank und der Beginn eines neuen Lebens

  23.07.2017 Möhlin, Persönlich, Porträt

Von Janine Tschopp

Entspannt sitzt Christina Frank im Gartenrestaurant auf einem Stuhl mit Rücklehne und seitlichen Lehnen. Bis vor ein paar Monaten graute es ihr, sich auf einen Stuhl mit Seitenlehnen zu setzen. Einerseits hatte sie kaum Platz, und vor allem verursachte der Druck der Lehnen auf die Beine grosse Schmerzen. Aufgrund ihres hohen Gewichts sowie den ständigen Schmerzen in Beinen und Oberarmen war Christina Frank nicht mehr in der Lage ein längeres Stück zu gehen. Auch beim Golfen schaffte sie die Strecken schliesslich nicht mehr zu Fuss.

Bevor die Ursache der körperlichen Probleme herausgefunden wurde, betrug ihr Höchstgewicht 145 Kilogramm.

Lipödem erst vor zweieinhalb Jahren diagnostiziert

«Als Kind war ich nicht dick. Das hat erst in der Pubertät angefangen», erklärt Christina Frank. «Die Ärzte sagten mir immer, dass ich abnehmen muss.» So nahm sie bereits als Teenager eine Diät nach der anderen auf sich und trieb viel Sport. Die Sommerferien nutzte sie jeweils, körperlich noch aktiver zu sein und weniger, und vor allem gesund zu essen. «Ein bisschen abnehmen konnte ich, aber nach kurzer Zeit war mein Gewicht wieder höher als vor der Diät. Anfang 30 nahm ich noch schneller zu wie zuvor. Innerhalb von zwei bis drei Monaten waren es bis zu zehn Kilogramm, ohne übermässig zu essen.» Christina Franks Übergewicht wurde immer extremer. Im Alter von 32 Jahren traten die Schmerzen an Beinen und Oberarmen auf. Christina Frank fühlte sich immer weniger wohl in ihrem Körper. Lange fanden die Ärzte nicht heraus, was mit ihr nicht stimmte. Viele Ärzte diagnostizierten Adipositas (Fettleibigkeit) und empfahlen der Patientin weniger zu essen und sich mehr zu bewegen. Auch wurden Untersuchungen der Schilddrüse durchgeführt, die keine Auffälligkeiten zum Vorschein brachten.

«Vor knapp drei Jahren gab ich im Internet alle meine Beschwerden wie dicke, schwere Beine und Druckempfindlichkeiten ein und stiess auf die Krankheit ‹Lipödem›. Ich sah dann Fotos von Frauen, die unter dieser Krankheit leiden, und diese hatten die gleiche Statur wie ich.» Das war ein Schlüsselmoment im Leben der heute 39-Jährigen. Endlich wusste sie über die Krankheit Bescheid, unter welcher sie seit der Pubertät litt. Beim Lipödem (aus dem altgriechischen «Fettschwellung») «entgleisen» die Fettzellen und vergrössern sich stetig. Zu massiven Beschwerden kommt es, weil sich zwischen den vermehrten und vergrößerten Fettzellen Flüssigkeit einlagert.

Schliesslich suchte Christina Frank einen spezialisierten Arzt auf, und die Krankheit «Lipödem» wurde diagnostiziert. Auch wenn die Beschwerden dadurch noch nicht weniger wurden, war dies für Frank ein entscheidender Moment: «Der Psyche tat es sehr gut zu wissen, was mit dem eigenen Körper ‹falsch› lief.»

Die Behandlung war kein Zuckerschlecken

Nachdem endlich klar war, unter welcher Krankheit Christina Frank litt, begann die Behandlung. Das ständige Tragen von hautengen Kompressionsstrümpfen und –hosen, tägliche Lymphdrainagen (auch zu Hause mit einem Lymphomaten) und schwimmen im kalten Wasser gehörten zur Therapie. «Das war kein Zuckerschlecken.» Zudem war es nicht einfach, die ganzen Behandlungen in den Alltag zu integrieren. Christina Frank arbeitet als Personalleiterin bei einem Ingenieurunternehmen in Baden. Durch die Therapie wurden die Schmerzen zwar ein bisschen gelindert, aber die Lebensqualität von Christina Frank litt stark darunter. «Besonders im Sommer war mir durch die Kompressionshosen und –strümpfe so heiss, dass ich gar nicht mehr hinausgehen wollte.»

Schlauchmagen-Operation war die Rettung

Schliesslich empfahl ihr eine Ärztin als letzte Möglichkeit zur Bekämpfung des Lipödems eine Schlauchmagen-Operation. Dabei wird der Magen auf zirka ein Achtel seiner ursprünglichen Grösse reduziert. Weil die Operation auch die Hormone und den Stoffwechsel beeinflusst, gab es Hoffnung, dass sie auch positive Auswirkungen auf das Lipödem haben könnte. Christina Frank wehrte sich zuerst dagegen: «Ich verstümmle doch kein gesundes Organ.» Nachdem sie sich intensiv damit auseinandersetzte traf sie die Entscheidung, den Eingriff machen zu lassen. «Es war mir bewusst, was es für einen Einschnitt ins Leben bedeuten würde.»

Am 16. November 2016 wurde die Schlauchmagen-Operation in einem einstündigen Eingriff vorgenommen. Schon wenige Tage danach fühlte sich Christina Frank schon ziemlich gut. Für sie begann ein neues Leben. Tatsächlich hat sich die Operation positiv auf ihre Krankheit ausgewirkt. «Ich würde es immer wieder tun. Es war die beste Entscheidung meines Lebens. Meine Lebensqualität ist heute tausend Mal höher als vorher», erklärt Christina Frank.

Zwischenzeitlich hat sie (gemessen an ihrem Höchstgewicht von 145 Kilogramm) 58 Kilogramm abgenommen und weitere werden folgen. «Früher hatte ich Hosengrösse 60, jetzt bin ich bei 44.» Sie fühlt sich wohl in ihrem neuen Leben. Das Essen jedoch hat für sie an Stellenwert verloren. Sie isst heute fünfmal pro Tag, aber momentan nur etwa drei Esslöffel pro Mahlzeit. «Dafür geniesse ich das Zusammensein mit meinen Freunden viel mehr als das Essen an sich.» An vielen Dingen, die für sie früher eine Belastung bedeuteten, hat sie wieder Spass: Golf spielen (zu Fuss, ohne Buggy), lange Spaziergänge, schwimmen, shoppen. Ihrem Ehemann sowie ihrer Familie und ihren Freunden ist sie sehr dankbar für die wertvolle Unterstützung. «Sie stehen immer hinter mir.» Christina Frank ist angekommen in ihrem neuen Leben.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote