So wurden die Leute über den Tisch gezogen

  20.10.2016 Aargau, Eiken, Nordwestschweiz, Brennpunkt, Kriminalität, Oberes Fricktal, Unteres Fricktal

Von Valentin Zumsteg

«Nein, die Gerichtsverhandlung werde ich nicht besuchen. Davon verspreche ich mir nichts», erzählt die Seniorin aus dem Fricktal, die nicht namentlich erwähnt werden will. Sie hat während vieler Jahrzehnte zusammen mit ihrem Mann ein Geschäft betrieben. «Wir haben immer viel gearbeitet für unser Geld. Wenn es mal nicht so lief, haben wir den Gürtel etwas enger geschnallt.»

 

Der Rat des Treuhänders

Die Buchhaltung des Betriebs hat ein Fricktaler Treuhänder geführt. Als sie ins AHV-Alter kamen, empfahl dieser Treuhänder, das Pensions-Geld bei der ASE Investment AG anzulegen. «Er kam immer wieder mit diesem Vorschlag. Wir hatten zuvor von der ASE noch nie etwas gehört», schildert die Frau. Mit dem Treuhänder waren sie immer zufrieden gewesen, er hatte sie während Jahrzehnten betreut. «Wir vertrauten ihm.» So willigen sie schliesslich ein, bei der ASE ihr Pensionsgeld anzulegen. In mehreren Tranchen investierten sie ab 2008 rund 250 000 Franken. Regelmässig kamen Auszüge von der ASE, die Jahresrenditen von über zehn Prozent auswiesen.

Das Ehepaar wurde 2009 auch zum 11-Jahr-Jubiläum der ASE eingeladen. Dort ging es nobel zu und her. «Ich bin heute überzeugt, dass gezielt Leute ausgesucht wurden, die von Geldanlagen nicht viel verstehen», sagt die Frau.

Im April 2012 folgte der grosse Knall. Der ASE-Geschäftsführer wurde verhaftet und eine Strafuntersuchung gegen die ASE Investment, die von Frick aus aktiv war,  eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft wirft den Verantwortlichen vor, ein riesiges Schneeballsystem betrieben zu haben.

 

Geschäftsführer und Präsident haben laut Anklage Millionen eingesackt

Laut Anklageschrift, die der NFZ vorliegt, haben der Geschäftsführer und der Präsident des Verwaltungsrates im Gegensatz zu den Anlegern kräftig abgesahnt. Der Geschäftsführer soll im Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 2012 mindestens 8,065 Millionen Franken eingesackt haben, der VR-Präsident mehr als 5 Millionen Franken. «Dazu benützten sie diverse Drittfirmen sowie ihre Ehefrauen», heisst es in der Anklage. Den Grossteil dieser Erträge schleusten sie dabei auch noch am Fiskus vorbei. Der VR-Präsident beteuerte gegenüber der Staatsanwaltschaft seine Unschuld.

Gegründet wurde die ASE Investment AG 1998. Bis und mit dem Jahr 2005 konnte die Firma den Devisenhandel grösstenteils erfolgreich gestalten, wie in der Anklageschrift steht. Im Jahr 2006 änderte sich das. Es resultierten im Devisenhandel massive Verluste im Umfang von rund 20 Prozent des Anlagekapitals. So nahmen offenbar die Unregelmässigkeiten ihren Anfang. Die Verluste wurden gegenüber den Kunden verheimlicht und darüber hinaus wurden fiktive Gewinne ausgewiesen.

Bei der Verhaftung des Hauptbeschuldigten im April 2012 bestand eine Lücke über alle Kundenkategorien in der Höhe von rund 250 Millionen Franken. Die Anleger hatten bis zuletzt gefälschte Konto- und Guthabens-Anzeigen erhalten. Neben dem Geschäftsführer und dem VR-Präsidenten muss sich auch der ehemalige Kundenbetreuer der ASE bei der Basler Kantonalbank vor Gericht verantworten. Auch er weist jede Schuld von sich.

Die Basler Kantonalbank, die in den Fall verwickelt ist, hat die ASE-Opfer teilweise entschädigt. Dem Fricktaler Ehepaar wurden 80 000 Franken überwiesen. «Das war korrekt», sagt die Frau. Sie rechnet nicht damit, dass sie das restliche Geld wiedersehen.  «Ich habe bereits mit dem Thema abgeschlossen.» Die Ordner mit den ASE-Unterlagen lagern im Keller ihres Hauses. «Aus den Augen, aus dem Sinn», sagt die Frau.

 


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