Der Neustart

  15.09.2016 Aargau, Möhlin, Brennpunkt, Schule, Unteres Fricktal

Von Ronny Wittenwiler

Alexander Zürcher soll länger bleiben. Sein Vorgänger war als Gesamtschulleiter kein Jahr im Amt. «Die Ausgangslage ist heute eine andere», sagt Stephan Müller, Präsident der Schulpflege Möhlin, auf die Frage, weshalb sich die Geschichte nicht wiederholen werde. «Mit der Schulevaluation und den roten Ampeln punkto Schulführung und Qualitätsmanagement haben wir Vieles aufgezeigt bekommen und daraus unsere Schlüsse gezogen.» Ganz so einfach, wie sich das anhört, war es allerdings nicht, denn: die Schule Möhlin beansprucht seit Monaten die Dienste eines externen Beraters. Dieser Berater, Hanspeter Draeyer, spezialisiert auf Organisationsentwicklung, war am Dienstag ebenfalls zugegen, als die Schulpflege die neu besetzten Positionen in Schulleitung und Schulverwaltung vorstellte.

Bemerkenswerte Aussagen
Im März erhielt Draeyer vom Gemeinderat den Auftrag, die Stellenbesetzung der Schulleitung und der Schulverwaltung zu begleiten. Noch vor Antritt seines Mandats sei ihm bei Gesprächen mit verschiedenen Schlüsselpersonen klargeworden: «Aufgrund dessen, was hier vorgelegen hatte, wäre es falsch gewesen, neue Leitungspersonen zu suchen, ohne dabei auch andere Prozesse in Bewegung zu bringen. Das Mandat wurde deswegen erweitert mit der Aufgabe, die Schule soweit zu entwickeln, dass neue Führungspositionen auch echte Chancen haben, ihre Funktionen wahrnehmen zu können.» Es sind bemerkenswerte Aussagen. Bemerkenswert deshalb, weil sie im Umkehrschluss darauf hindeuten, dass an der Schule Möhlin gewisse Rahmenbedingungen nicht existiert haben, die es vorherigen Personen in Führungspositionen erlaubt hätten, ihre Funktion auszuüben.

Ungeschönte Beurteilung
Bemerkenswert ist auch die Beurteilung dessen, was der Fachmann vorgefunden und Behörden bislang permanent in Abrede gestellt hatten. «Ich habe die Schule und alle Beteiligten in einem Zustand angetroffen, den man sich heute kaum mehr vorstellen kann. Das war nicht schön. Man redete nicht mehr miteinander, man begegnete einander mit Misstrauen, man machte sich gegenseitige Vorwürfe.» In einer ersten Phase suchte Draeyer mit sehr vielen Leuten den Dialog, führte Einzelgespräche mit über vierzig Lehrpersonen. «Nicht ganz überraschend stiess ich vor allem auf Ebene der Lehrerschaft auf ein hohes Mass an Potenzial, Motivation und Freude am Beruf. Das rundherum hat einfach nicht funktioniert.»

Kein Heilsbringer
Selbstverständlich ist heute nicht alles anders. Selbstverständlich ist auch ein externer Berater kein biblischer Heilsbringer, doch erweckt es den Eindruck, dass an der Schule Möhlin ein Zusammenrücken der einzelnen Exponenten stattgefunden hat, ein Zusammenrücken, das dem latenten Einzelkämpfertum zuwiderläuft. Für solche Annahmen gibt es immerhin Indizien: Schulleitungen, Lehrer und Schulpflege haben mittlerweile ein gemeinsames Papier darüber entworfen, wo die Schule Möhlin im Jahr 2021 sein sollte (Strategie 21 – siehe Box). Ebenfalls implementiert wurde der sogenannte «strategische Dialog». Dabei diskutieren alle vier Wochen Schulleitungskonferenz und Schulpflege gemeinsam über schulische Themen – «man hat ein Defizit festgestellt in der Schulpflege, was das Wissen über Themen der Schule anbelangt» (Zitat Draeyer). Es gehe darum, «mit der Zeit ein gemeinsames, inhaltliches Verständnis darüber zu entwickeln, was für eine gute Schule wichtig ist.» Ein weiteres Kapitel ist die Schulverwaltung. Draeyer: «Wir sind gemeinsam daran, die gesamte Dokumentstruktur so zu entwickeln, dass die Auffindbarkeit und Zugänglichkeit gegeben ist und Doppelspurigkeiten ausgemerzt werden. Damit sollte ein Effizienzgewinn spürbar werden, gerade für die Schulleitungen. Denn diese verbraten etwa 80 Prozent ihrer Zeit mit administrativer, organisatorischer Tätigkeit, dabei wäre der wesentliche Teil der Schulleitungsidee inhaltliche Steuerung und Entwicklung der Schule.»

Es sind deutliche Worte. Es sind aber auch ganz konkrete, greifbare Handlungs-Anleitungen für eine Schule, die in ihrer Organisation schwächelte, gerade deshalb vielleicht schwächelte, weil vieles wenig konkret und kaum greifbar war. Der erneute Neustart – er könnte für einmal ohne Beschwerden früherer Anstrengungen vonstattengehen.


«Strategie 21»

Ein unvollständiger Auszug über den angestrebten Zustand der Schule Möhlin in fünf Jahren:
Die Qualität des Unterrichts auf allen Stufen ist anhaltend hoch, Schüler und Eltern sind zufrieden, Qualitätsunterschiede des Unterrichts zwischen den verschiedenen Schulhäusern sind vernachlässigbar gering.

Die Schulführung auf allen Ebenen ist transparent (bereits neu eingeführt: Protokolle und Traktandenliste von Schulpflegesitzungen und Schulleitungskonferenz sind für alle an der Schule Möhlin beschäftigen Personen einsehbar), über die Arbeit in allen Gremien wird proaktiv informiert, so dass eine Mitbeteiligung möglich ist, erzielte Ergebnisse und Erfolge sind für alle einsehbar dokumentiert.

Übertrittsverfahren von Kindergarten in Primar- und in die Oberstufe wird einheitlich geregelt was die Evaluationsinstrumente anbelangt (bislang wurde das von Schulhaus zu Schulhaus verschieden gehandhabt, «es ist wichtig, dass die Selektionen nach nachvollziehbaren, pädagogischen Kriterien stattfinden» (Zitat Draeyer).

Verstärkte schulhausübergreifende Kooperationen, in wesentlichen Grundhaltungen punkto Pädagogik, Lernmethoden und Lernmittel soll der Dialog über die Schulhausgrenzen hinaus gepflegt und institutionalisiert werden. Die Schule Möhlin soll man als einheitliche Gesamtorganisation wahrnehmen. (rw)


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