Eine Ausstellung wider das Vergessen

  26.08.2016 Brennpunkt, Laufenburg, Kultur, Oberes Fricktal, Gemeinden, Tourismus, Eröffnungen

Von Simone Rufli

In einer Zeit, als Spaghetti und Olivenöl noch weit davon entfernt waren, in fast allen Schweizer Küchen vertreten zu sein, machten sich viele Italiener aus wirtschaftlicher Not auf den Weg in die vom Krieg weitgehend verschonte Schweiz. An der Grenze wurde eingelassen, wer arbeitsfähig war und schnellstmöglich als Arbeitskraft eingesetzt werden konnte. Das war Ende der 1950er Jahre. Die Männer kamen allein, Frauen und Kinder blieben in Italien, manchmal auch nicht, doch das war illegal. Der Familiennachzug wurde erst durch eine Gesetzesänderung anno 1964 möglich.

Baracken am Stadtrand und viele Arbeitsstunden

In der Ausstellung «Leonforte/Laufenburg: Geteilte Erinnerungen» lassen Patrizia Lo Stanco und Vera Ryser rund zwanzig Menschen von ihren Erinnerungen an die Zeit zwischen 1958 und 1970 erzählen (die NFZ berichtete). In thematisch unterteilten Räumen bekommen die Besucher zu hören, zu lesen und zu sehen, was italienische Einwanderer in Laufenburg erlebt haben. Es erzählen Männer, die in Barackensiedlungen am Stadtrand lebten oder als ganze Gruppe in einer Wohnung. Es erzählen Frauen, die zehn Stunden arbeiteten, nach Hause kamen und noch den ganzen Haushalt und die Kinder versorgen mussten. Es erzählen Familien, die auch Jahre nach der Ankunft in Laufenburg noch Mühe hatten, eine Wohnung zu mieten, weil man ihnen, den Fremden, mit grosser Skepsis begegnete. Es gibt Fotos von den Feiern zu Ehren von San Giuseppe – einem Feiertag, den Laufenburg seit 17 Jahren ganz offiziell jeweils am 19. März mit einem grossen öffentlichen Fest in der Stadthalle begeht. Ergänzt werden die Schilderungen, die allesamt in der Originalsprache und in der Übersetzung zu hören sind, durch Fotografien aus den privaten Alben der Leonfortesi.

Aus der Geschichte lernen

Die beiden Laufenburgerinnen Vera Ryser und Patrizia Lo Stanco wurden bei ihrer Arbeit von der Migrationsexpertin Flavia Grossmann und der Szenografin Florence Willi unterstützt. Hannes Burger, Präsident des Museumsvereins, will Leonforte exemplarisch verstanden wissen. «Leonforte steht auch für viele andere Gemeinden und Städte in der Schweiz. Und Italiener sind zu jener Zeit auch nach Deutschland und in andere Gegenden ausgewandert.» Und so kommen in der Ausstellung denn auch Leonfortesi aus Deutsch-Laufenburg zu Wort. Ulrich Krieger, Bürgermeister von Deutsch-Laufenburg, fordert in seinem Grusswort die  Museumsbesucher auf, «aus dieser Geschichte zu lernen, wie es gelingt, Menschen dauerhaft in die Gesellschaft aufzunehmen». Den Ausstellungsmacherinnen kommt das Verdienst zu, am Beispiel der Leonfortesi aus Sizilien Migrationsgeschichten öffentlich und zugänglich zu machen und so vor dem Vergessen zu bewahren. Die Ausstellung wird unterstützt durch den Kanton Aargau (Swisslos).

 

«Leonforte/Laufenburg: Geteilte Erinnerungen,» Ausstellung im Museum Schiff in Laufenburg vom 27. August bis 30. September 2017. Öffnungszeiten: Mittwoch 14 bis 16 Uhr; Samstag und Sonntag 14 bis 17 Uhr.


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