Möhlin kehrt dem Verband der Jugendseelsorge den Rücken

  26.11.2015 Aargau, Jugend, Möhlin, Brennpunkt, Abstimmungen, Religion, Unteres Fricktal

Von Ronny Wittenwiler

«Die Solidarität steht auf dem Spiel», sagte Daniela Leimgruber von der Jugendseelsorge Fricktal am 5. November gegenüber der NFZ. Nun, knapp drei Wochen später, sagt sie: «Ich bin sehr enttäuscht über das Ergebnis.» Leimgruber meint das Ergebnis aus der Kirchgemeindeversammlung in Möhlin, letzten Sonntag, als die Stimmbürger dem Antrag ihrer Kirchenpflege folgten und den Austritt aus dem Zweckverband der «Juseso Fricktal» guthiessen.

Bilanz: Zeiningen bleibt drin. Zuzgen will raus. Möhlin will raus.
Nun sind alle drei Kirchgemeindeversammlungen vorbei, an denen es für die Pfarreien um die Kündigung der Juseso-Mitgliedschaft gegangen war. Die NFZ berichtete bereits über die ersten beiden Entscheidungen: Statt ihrer Kirchenpflege Folge zu leisten, beschlossen die Stimmberechtigten in Zeiningen am 10. November, den Antrag auf Austritt aus der Juseso zur Überarbeitung zurückzuweisen. Zuzgen hingegen, dasselbe Geschäft behandelnd am 18. November, sorgte für den ersten Dämpfer bei der Juseso. Nahmen gerade einmal 23 Stimmberechtigte an der Kirchgemeindeversammlung teil, enthielten sich dort deren zwei Personen der Stimme, zehn Personen sprachen sich gegen und elf Personen für einen Austritt aus der Juseso aus. Dass nun die Enttäuschung von Leimgruber nach Zuzgen noch einmal gewachsen ist seit Sonntag, liegt am letzten Resultat in Möhlin. Dort fiel der Entscheid relativ deutlich zu Ungunsten der Juseso Fricktal aus. Von 81 Stimmberechtigten stimmten 54 für einen Austritt und 19 dagegen (ergo: 6 Enthaltungen). Noch ist die Abkehr vom Zweckverband (Kündigungsfrist zwei Jahre ab 31. Dezember 2015) nicht in Stein gemeisselt. Weder in Zuzgen, noch in Möhlin. Es besteht die Möglichkeit, dagegen das fakultative Referendum zu ergreifen.

Nie viele Teilnehmer, aber immer ein paar
Die Gründe, weshalb die Kirchenpflegen in allen drei Pfarreien den Austritt aus der Juseso beantragten, sind nicht unbekannt. Das Begehren entstand vor dem Hintergrund, dass die Pfarreien im Wegenstettertal künftig einen gemeinsamen Pastoralraum bilden. Mit der Ausarbeitung eines eigenen Konzepts für die Jugendarbeit würde eine Juseso-Mitgliedschaft der Pfarreien hinfällig – so die Sicht der Kirchenpflegen beziehungsweise die Sicht aus den Reihen der Projektleitung für den Pastoralraum (die NFZ berichtete). Aus der Pfarrei Zuzgen war etwa zu vernehmen: «Die Dienste der Juseso werden nicht in Anspruch genommen (…). Der finanzielle Beitrag an die Juseso wird aus Solidarität bezahlt.» Richtig ist: Wirklich viele Teilnehmer aus Zuzgen waren in den letzten Jahren zwar nie dabei bei grossen, regionalen Juseso-Projekten, doch es hat durchaus welche gegeben, und jedes Jahr waren es mehr Jugendliche Teilnehmer aus Zuzgen als aus der Pfarrei Zeiningen, die vorerst weiter in der Juseso bleibt.
Just an diese Solidarität, die nun auch Zuzgen nicht mehr leisten möchte, hat Daniela Leimgruber im Vorfeld appelliert und sich dabei insbesondere auf die Schwergewichte unter den Pfarreien wie Rheinfelden oder Möhlin bezogen. «Gerade weil es sich viele kleine Gemeinden nicht leisten können, einen eigenen Jugendarbeiter anzustellen, beteiligen sich die grösseren Pfarreien am Zweckverband und helfen so mit, dass Jugendarbeit über das Fricktal möglich gemacht werden kann.» Auf die Frage, ob nicht längst Sport- und andere Vereine die Funktion von Jugendarbeit übernommen hätten, sagt Leimgruber, selber in ihrer Freizeit als Handballerin sportlich unterwegs: «Das lässt sich doch nicht vergleichen. In einem Sportverein geht es nicht darum, über das Leben und die Werte ganz bewusst zu reflektieren. Die Juseso hingegen bietet Raum dafür. Ich selber liebe den Sport und das Streben nach Leistung: Aber wir dürfen auch Jugendliche nicht vergessen, denen es vielleicht etwas schwerer fällt, Anschluss zu finden – vielleicht eben, weil sie im Sport nicht zu den Ersten und Schnellsten gehören. Ich glaube, gerade auch diese Jugendlichen sind froh, irgendwo ihr Plätzchen zu finden.» Man dürfe den Beitrag der Kirchgemeinden an die Juseso Fricktal nicht einfach auf die Anzahl Teilnehmer aus der eigenen Pfarrei hinunterbrechen, findet Leimgruber. «Jugendarbeit lässt sich nicht anhand von Zahlen messen. Niemand kann behaupten, dank der Juseso oder generell dank Jugendarbeit ist dieser oder jener Jugendliche später kein Sozialfall geworden. Das lässt sich nie so einfach zeigen. Doch wenn es so wäre, dann hätte sich die Mitgliedschaft auch finanziell schon mehrfach bezahlt gemacht.»


«Regionale Zusammenarbeit in anderer Form gestalten»: Stellungnahme von Daniel Reidy
Daniel Reidy-Zehnder ist römisch-katholischer Gemeindeleiter in Möhlin und Projektleiter für den Pastoralraum. Die NFZ hat ihn gefragt, ob die Kirchgemeinde Möhlin die Ansicht der Juseso (und etwa auch der Kirchgemeinde Rheinfelden) nicht teile: nämlich, dass es ein Akt der Solidarität sei, dass gerade grössere Gemeinden durch ihre Mitgliedschaft in der Juseso mithelfen, Jugendarbeit über das ganze Fricktal zu ermöglichen – weil es sich viele kleine Gemeinden nicht leisten können, einen eigenen Jugendarbeiter anzustellen.
Nachfolgend die Stellungnahme von Reidy:

«Ich vertrete die Ansicht, dass Kinder- und Jugendarbeit ein existentieller Bereich der kirchlichen Arbeit ist – in der momentanen Situation der Kirchen vermutlich der entscheidendste. Wenn wir Kinder und Jugendliche nicht ansprechen können, mit ihnen keine Beziehung aufbauen können und ihnen nicht mit Kontinuität über mehrere Jahre positive, gemeinschaftliche Kirchenerlebnisse schaffen können, sind wir als Kirchen in 20 Jahren bedeutungslos. Die Kirchgemeinde und die Pfarrei Möhlin unterstützen die Kinder- und Jugendarbeit deshalb intensiv. Auch darum wurde mit Lena Heskamp eine vollamtliche Religionslehrerin und Jugendarbeiterin verpflichtet. Wir versprechen uns dadurch, mit einer am Ort wirkenden und wahrnehmbaren Person vorerst in Möhlin und dann im gesamten Pastoralraum den direkten Kontakt mit Kindern und Jugendlichen intensivieren zu können und im Nahraum zu pflegen. Der von der Kirchgemeindeversammlung beschlossene und noch dem Referendum unterliegende Austritt aus dem Zweckverband der Juseso ist ein Schritt auf dem Weg, die regionale Zusammenarbeit in anderer Form zu gestalten; weg von einer zentralen Stelle mit mehreren punktuell ausschwärmenden Angestellten hin zu konkret in den Pastoralräumen oder kleineren Regionen wirkenden Jugendarbeitenden, die sich durchaus für gemeinsame oder überregionale Projekte vernetzen. Dazu bietet Möhlin weiterhin Hand. Diese Haltung wurde auch während der Gespräche mit der Juseso ausgesprochen und im Vorfeld der Kirchgemeindeversammlung im Organ ‹Ansichten› schriftlich festgehalten.» (mgt/rw)


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