Vom Zirkuskind zum Ausstellungsmacher

  02.07.2015 Brennpunkt, Rheinfelden, Nordwestschweiz, Kultur, Kunst, Porträt, Unteres Fricktal

«Ich bin ein Stehaufmännchen», sagt Roland Gasser mit einem Lachen. Er hat in seinem Leben schon viel gemacht und viel erlebt. Der 52-Jährige stammt aus der Zirkus- und Schausteller-Familie Gasser und gehört zur siebten Generation dieser Dynastie. Mit der Familie Nock ist er verwandt, der bekannte Hochseilartist Freddy Nock ist sein Cousin.

 

In der Manege aufgewachsen

Die ersten Jahre seiner Kindheit und Jugend verbrachte Roland Gasser im Zirkus «Olympia». Die Zirkusfamilie reist quer durch die Schweiz und stellte in Dörfern und Städten ihr Zelt auf. Das Winterquartier hatten sie in der Region Basel, manchmal in Rheinfelden oder in Möhlin. Es war nicht immer einfach, sich irgendwo Zuhause zu fühlen. «Wir hatten aber ein schönes Kinderleben. Manchmal war es etwas streng», erinnert er sich. Schon früh stand er mit seinen fünf Brüdern in der Manege. Sie zeigten Akrobatik, Seiltanz und fuhren Einrad. «Was man halt so macht als Zirkuskind. Jonglieren kann ich heute noch ein bisschen.» Als er zwölf Jahre alt war, verabschiedet sich die Familie vom Zirkus und übernahm ein Schausteller-Geschäft mit Schiffschaukel, Karussell, Schiessbude und später Autoscooter.

«Die Schaustellerei hat mir weniger gefallen als das Zirkusleben. Der Konkurrenzkampf ist härter, jeder schaut für sich», erzählt Roland Gasser. Trotzdem hat er mit 23 Jahren das Kinderkarussell vom Vater übernommen und sich selbständig gemacht. Wieder zog er von Stadt zu Stadt, von Chilbi zu Chilbi. Später erweiterten er und seine damalige Frau das Angebot um Esswaren. «Wir haben gemerkt, dass dies besser läuft. Gegessen wird immer» Irgendwann hatte er aber genug vom Schausteller-Geschäft. «Die Standpreise sind laufend gestiegen, es lohnte sich fast nicht mehr.»

Nach der Scheidung von seiner Frau wanderte er nach Australien aus, wo er viele Verwandte hat. Er arbeitete bei einem Cousin, der grosse Events auf die Beine stellt. Hier kam Roland Gasser sein handwerkliches Geschick zugute. Ebenso, als er später mit einem Kollegen Häuser baute. «Australien ist meine zweite Heimat geworden. Die Leute sind sehr offen und verstehen es, das Leben zu geniessen.»

 

«Ich liebe sein Abendmahl-Bild»

In Australien hat er zum ersten Mal die «Leonardo Da Vinci»-Ausstellung gesehen, die Exponate aus dem «Museo di Leonardo Da Vinci» in Florenz zeigt. «Leonardo Da Vinci hat mich immer fasziniert. Vor allem seine Malerei. Ich liebe sein Abendmahl-Bild», erklärt Gasser, der sich selber als sehr religiös bezeichnet. Als sich ihm dann die Möglichkeit bot, für die Ausstellung in Sydney zu arbeiten, fasste er schnell den Entschluss, diese Exponate auch in die Schweiz zu bringen.

Diesen Plan hat er in die Tat umgesetzt: Seit rund eineinhalb Jahren ist der Vater von zwei erwachsenen Töchtern zurück in seiner Heimat, er wohnt wieder in Rheinfelden. Gasser hat für die Ausstellung, die er zusammen mit Heinz Schafroth organisiert, eine eigene Firma gegründet und rund 250 000 Franken investiert. Am 5. Juni 2015 konnte in der Galerie «Collection Beyeler» in Pratteln die Vernissage gefeiert werden. Ab November soll die Ausstellung in Solothurn und später – wenn möglich – in der übrigen Schweiz gezeigt werden. «Die Schweiz ist aber ein hartes Pflaster», erzählt Gasser. Zwar haben das «Schweizer Fernsehen» und zahlreiche andere Medien über die Ausstellung berichtet, doch die Besucherzahlen sind bislang bescheiden. Gasser ist aber zuversichtlich, dass es besser wird. «Wir haben von den Besuchern, die hier waren, sehr positives Echo erhalten. Es haben sich auch schon zahlreiche Schulklassen angemeldet.» Damit sich die Ausstellung rechnet, braucht es in den nächsten Monaten rund 50 000 Besucher. «Davon sind wir noch weit entfernt. Wir hätten nicht gedacht, dass es so schwierig ist.»

Doch Gasser ist eben ein «Stehaufmännchen». Er hat in seinem Leben schon viele Schwierigkeiten gemeistert.


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