Der Mozzarella bestimmt die Arbeitszeit

  22.01.2015 Densbüren, Jugend, Persönlich, Oberes Fricktal, Porträt, Lifestyle

Dagmersellen ist ungefähr gleich weit weg von einer Alp wie der Beruf der Käserin von dem der Autolackiererin.  Aber in Dagmersellen, in den automatisierten Produktionsanlagen des grössten Schweizer Milchverarbeiters Emmi hat Uschi Windisch einen für sie passenden Job als Käserin gefunden. Warum aber produziert sie, die jahrelang davon träumte, Autolackiererin zu werden, nun Käse, Milch, Joghurts und Butter? Uschi Windisch lacht. «Ich habe in ganz viele Berufe hinein geschnuppert. Bäckerin, Metzgerin, und natürlich Autolackiererin, das war ja lange Zeit mein Traumberuf. Ich konnte mir alles irgendwie vorstellen. Aber ich war etwas spät dran mit der Stellensuche am Ende des 10. Schuljahres. Mein Vater meinte dann, dass Käserin möglicherweise etwas für mich wäre. Und so habe ich meine Lehrstelle dann doch noch gefunden.» 2012 hat die heute 23-jährige die Lehre als Käserin in einem kleinen Betrieb in Wohlen abgeschlossen. Im Grunde genommen ist sie gelernte Milchtechnologin also in der Herstellung von Käse und Molkerei-Produkten ausgebildet. Das Berufsbild hat sich verändert, den heutigen Anforderungen und den modernen Herstellungsmethoden angepasst.

 

Ihren Platz gefunden

Angepasst hat sich auch Bauernfamilie Windisch. Milchkühe stehen keine mehr im Stall. Der Zerfall des Milchpreises hat das Leben auf dem Bifanghof verändert. An Stelle des Rindviehs ist eine Kaninchen-Zucht getreten. Ein paar Mast-Rinder machen sich aus dem Stall heraus bemerkbar und den Sommer über grasen Weide-Rinder auf den stotzigen Hängen. Zusammen mit ihren zwei Schwestern – die eine arbeitet als Coiffeuse, die andere als Malerin – ist Uschi Windisch auf dem Bifanghof aufgewachsen. «Wir hingen als Kinder sehr an unseren Kühen. Und jeden Morgen bevor ich in die Schule ging, trank ich einen Liter frische Milch», erzählt Windisch lachend. Milch. Milchprodukte, Käse. «Am liebsten von allen habe ich den Emmentaler.» Am meisten produziert sie derzeit aber des Schweizers beliebtesten Frischkäse, den Mozzarella. Der Käse, der mit der riesigen Nachfrage im Sommer regelmässig für Überstunden sorgt, im Winter vom Ricotta überholt wird, auf der Pizza aber das ganze Jahr seinen Platz findet.

Auch Windisch hat ihren Platz gefunden. Gar nicht so selbstverständlich für eine Frau im Käsereibusiness. Ein Honigschlecken ist es auf jeden Fall nicht. «Als ich die Lehre angefangen habe, waren wir nur gerade ein Fünftel Frauen in der Ausbildung. Ein Jahr später war es dann aber schon fast die Hälfte. Bei uns in Dagmersellen gibt es einen Neubau, in dem alle Arbeitsschritte per Knopfdruck vollautomatisiert ablaufen. Körperkraft ist da nicht mehr gefragt. Wenn sie in die Industrie geht, ist die Arbeit für eine Frau also nicht schwerer.»

 

Alp und Fernweh locken sie

Apropos Körperkraft. Uschi Windisch kann zupacken und manchmal würde sie doch ganz gerne das Leben einer Alpkäserin leben – für eine bestimmte Zeit. «Als ich die Lehre abgeschlossen hatte, kam der Winter, da war nichts mit einem Job auf der Alp», erzählt sie mit einem leichten Bedauern. Bisweilen packt sie auch das Fernweh. Dann ruft sich ein lang gehegter Wunsch in Erinnerung: Windisch würde gerne ein Jahr in Kanada verbringen. Dort drüben, im Norden Amerikas wäre sogar ein Käser, den sie kennt. Ein Auswanderer, der ihr notfalls auch über sprachliche Defizite hinweg helfen könnte. Nur, wer kümmert sich in der Zeit um ihre Reptilien? «Als Mädchen wollte ich immer Mäuse. Heute sind die Mäuse das Futter für meine zwei weissen Kornnattern.» Nicht zu vergessen der Stachelschwanzwaran, auch er lebt in einem Terrarium in der Wohnung in Zofingen. Abgesehen von den Tieren ist Windisch auch an einer Weiterbildung gelegen. Lebensmitteltechnologie wäre eine Möglichkeit. Vielleicht doch zuerst die Weiterbildung und später Kanada? Was sie nicht möchte, ist ein Jahr lang an einem Produktionsstandort der Emmi in Übersee arbeiten. «Die industrielle Verarbeitung ist im Konzern überall in etwa gleich. Da unterscheidet sich Dagmersellen nicht von einem Betrieb in den USA oder Kanada.»

Jetzt wo der Morgen und das Gespräch sich gleichermassen dem Ende zuneigen, wird es für Uschi Windisch Zeit schlafen zu gehen. Bei der Emmi wird rund um die Uhr gearbeitet. Um 6 Uhr in der Früh hat Windisch ihre Schicht in Dagmersellen beendet. Tagsüber zu schlafen bereitet ihr kein Problem. Die Einschränkungen im sozialen Leben stören sie nicht. Reiten kann sie, wenn sie Zeit hat. Abgesehen vom Schützenverein Densbüren ist sie in keinem Verein engagiert. Wenn sie tagsüber arbeitet, beginnt sie um 5 Uhr morgens und arbeitet bis die erforderliche Menge produziert ist – open end. Nicht selten ist es der Mozzarella, der ihre Arbeitszeit bestimmt.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote