«Wir verkaufen nichts im Batapark»

  20.03.2014 Frick, Möhlin, Wirtschaft, Gewerbe, Oberes Fricktal, Unteres Fricktal

NFZ: Mit welchen Schwierigkeiten sieht sich das Unternehmen konfrontiert?

Martin Buyle: Es sind nicht Schwierigkeiten sondern geänderte Rahmenbedingungen. Nach der Krise 2009 haben wir ein anderes wirtschaftliches Umfeld vorgefunden. Wir haben chinesische Konkurrenz, die stärker geworden ist. Der Franken hat sich für uns als exportorientierte Firma auf einem zu hohen Niveau eingependelt. Schliesslich spüren wir die Zyklizität des Marktes stärker als vorher.

Welche Veränderungen stehen an bei der Firma?

Buyle: Es sind drei wesentliche Stossrichtungen, mit denen wir auf die  geänderten Rahmenbedingungen reagieren. Das primäre Ziel ist, Innovationen auf den Markt zu bringen. Wir haben zwei wesentliche Innovationsprojekte entweder bereits auf dem Markt oder in der Umsetzung. Die zweite grosse Stossrichtung ist die Effizienzsteigerung in der Herstellung, in der Montage und im Büro. Der dritte Punkt ist, dass wir die Fixkosten senken müssen. Das beinhaltet die Rückintegration des Fertigungszentrums in Möhlin nach Frick und Kostensenkungen in der Administration. Wir wollen die Maschinenfabrik auf einen Standort in der Schweiz konzentrieren.

Christian Kuoni: Vor zehn Jahren waren wir der zehntgrösste Textilmaschinenbauer in der Schweiz, heute sind wir der zweitgrösste. Viele sind ganz aus der Schweiz verschwunden. Da wir weltweit gut aufgestellt sind, geht es uns grundsätzlich recht gut. Unschön ist nur, dass wir am Standort Schweiz Änderungen vornehmen müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben.

Wie geht es weiter mit dem Standort Möhlin?

Buyle: Der Textilmaschinen-Bereich von Jakob Müller wird Ende 2016 nicht mehr in Möhlin tätig sein. Wir holen einen Teil der Fertigung zurück nach Frick, weil wir überzeugt sind, dass wir strategisch wichtige Teile auch zukünftig selber produzieren und gewisse Technologien in eigener Hand behalten müssen. Vom Rest der Wertschöpfung wollen wir uns trennen, ob diese in Zukunft in Möhlin bleibt oder an einen anderen Ort in der Schweiz oder auf der Welt geht, sind wir derzeit am Prüfen. Es gibt weiterhin die Möglichkeit, dass wir bestimmte Wertschöpfungsschritte und Maschinen sowie teilweise auch das Personal an einen anderen fertigenden Betrieb übergeben. 

Was passiert mit den Angestellten des Fertigungszentrums in Möhlin?

Martin Buyle: Von den ungefähr 65 Leuten am Standort Möhlin ist geplant, dass 25 bis 30 Personen nach Frick kommen. Die verbleibenden Mitarbeitenden versuchen wir in möglichst hoher Zahl bei anderen Unternehmen unterzubringen. Dies ist im Zuge der Verlagerung unserer Lackiererei auch bereits gelungen.

Was passiert mit dem Areal?

Christian Kuoni: Die Immobiliengesellschaft der Jakob Müller Holding AG behält den Batapark und entwickelt ihn weiter. Auf den 1. April kommt die Firma Swiss Uav, die Drohnen herstellt, in den Batapark. Sie wird etwa die Hälfte der Halle übernehmen, wo sich jetzt noch hauptsächlich die Maschinenfabrik befindet.  Die andere Hälfte sowie die zweite Halle der Maschinenfabrik sind ab 2016 zu vermieten. Wir verkaufen nichts im Batapark.

Wir haben im Gewerbeteil zwei neue Hallen erstellt. In einer befindet sich die Garage der Postauto Schweiz AG Region Nordschweiz und in der anderen die Firma Tesla Motors of Switzerland GmbH. In den übrigen Gewerbehallen sind 30 Gewerbetreibende eingemietet. Die beiden dreistöckigen Gebäude, die Denkmal geschützt sind, werden renoviert, geplanter Baubeginn ist im August. Dort entstehen hochwertige Mietwohnungen.

In der Kernzone wurden letztes Jahr die ersten Häuser, die sogenannten Ledigenheime, renoviert. Dort sind vier Einheiten «Atelier und Wohnen» entstanden. Bis im Oktober werden die Viererhäuser, die ältesten und kleinsten Einheiten, saniert. Dort entstehen acht Einfamilienhäuser. Im Neubaugebiet sind wir  am Gestaltungsplan. Neubauten wird es aber erst ab 2016 geben. Weiter werden wir das Wohlfahrtshaus sanft sanieren, daraus soll ein Kulturraum mit eventuell einer kleinen Gastronomie werden. Das ganze Areal umfasst 29 Hektaren. Im alten Teil sind es 58 Wohneinheiten. Mit dem Ausbau der dreistöckigen Gebäude kommen nochmals 30 bis 40 Wohnungen dazu und mit den vorgesehenen Neubauten nochmals zahlreiche Wohnungen. Mit Tesla und Swiss Uav werden 50 Arbeitsplätze neu generiert.

Worauf will sich das Unternehmen konzentrieren?

Buyle: Das Commitment ist klar. Wir wollen weiterhin Lösungsanbieter sein am Standort Schweiz für die Bereiche Nadelweben und Etikettenweben. Das war immer der Fokus und daran hat sich nichts geändert. Das einzige, was sich gegenüber früher geändert hat, ist, dass wir uns fragen müssen, was wir in Zukunft selber als Kernkompetenz im Haus haben müssen. Wir leben mit anderen Rahmenbedingungen als früher, an die wir uns anpassen müssen. Den Autosicherheitsgurt, einen Stretchverband oder auch ein ganz einfaches «Geschenkbändeli» wird auch die zukünftige Generation benutzen.

Eine wichtige Strategie der Jakob Müller Holding AG ist die Diversifikation. Wie sieht diese aus?

Kuoni: Neben dem Immobiliengeschäft haben wir zwei weitere kleine Einheiten im Innovationsbereich. Eine ist die Firma  «TexTrace AG», mit welcher wir die elektronischen Etiketten entwickeln. Damit kann die ganze Produktion verfolgt werden, alle Daten bis zum Preis sind darauf gespeichert. Die Etikette ist auch eine Diebstahlsicherung und Echtheitsgarant. Das Projekt steckt noch in den Kinderschuhen. Seit letztem Jahr haben wir ausserdem einen Versuch mit Trinkwasserkraftanlagen gestartet. Wir nutzen die Energie von den Fallrohren ins Reservoir. Die erste Anlage läuft seit Dezember in Davos. Die Komponenten dazu werden hier in Frick hergestellt.

Wie sieht die Pipeline bei den Innovationen im Textilgeschäft aus?

Buyle: Wir haben auf beiden Produktbereichen beim Nadelweben und dem Etikettenweben zwei Innovationen am Start. Im Fokus steht ganz allgemein bei jeder Innovation aus dem Hause Müller, dem Kunden neue Möglichkeiten zu eröffnen und ihm gleichzeitig die Produktionskosten zu senken.

Wie steht die Firma im internationalen Umfeld da?

Buyle: Wir sind in einer guten Lage aufgrund der internationalen Aufstellung. Wir sind an vielen Orten mit Produktion oder einer eigenen  Verkaufsorganisation vertreten. Der Bedarf an hochwertigem Maschinenmaterial ist nach wie vor da. Der technisch hochwertige Markt ist nicht nur Europa. Es gibt zwar weiterhin in Europa grosse Kunden mit hohen Ansprüchen. Es gibt auch in Asien anspruchsvolle Kunden zum Beispiel in Japan und Taiwan. Asien heisst nicht automatisch billig.

Vor über einem Jahr wurde das neue Verwaltungs- und Produktionsgebäude in Suzhou eingeweiht, wie läuft das Geschäft in China?

Buyle: Unsere Erwartungen an das vergangene Jahr wurden erfüllt. Die Jakob Müller Produkte «made in China» sind erfolgreich. Das neue Werk ist eine Investition in die Zukunft. Der asiatische Markt birgt für uns noch  grosses Wachstumspotenzial und dafür haben wir unser Werk in China erweitert.

Kuoni: Wir haben letztes Jahr unseren letzten grossen europäischen Konkurrenten, die Firma Comez in Italien, übernommen und haben ihr chinesisches Werk in unser chinesisches Werk in Suzhou integriert.

Ist die Produktpiraterie nach wie vor ein Problem?

Kuoni: Um Patente durchzusetzen, braucht es sehr viel Aufwand. Wir konnten uns aber an mehreren Messen mit Erfolg durchsetzen: Chinesische Konkurrenten mit kopierten Produkten mussten ihren Stand räumen.

Buyle: Der wirksamere Schutz als Patente ist, dass man eine hohe Innovationsgeschwindigkeit hat, so behält man immer einen Vorsprung.

Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der Masseneinwanderungsintiative auf Ihr Unternehmen?

Buyle: Viele sind verunsichert und wenig ist klar. Etwa ein Drittel unserer Belegschaft sind Grenzgänger. Ich habe bereits ein paar besorgte Gespräche geführt. Jetzt sind wir gespannt, wie die Initiative umgesetzt wird. Wir wissen zwar noch nicht, welche Auswirkungen sie für unsere Firma haben wird. Helfen tut sie uns aber sicher nicht.

Kuoni: Wir hoffen, dass die Grenzgänger von den Kontingenten in dieser Initiative ausgenommen werden. Als es die Kontingente früher gab, mussten wir für jeden Spezialisten nachweisen, dass wir keinen Schweizer gefunden haben. Das belastet die Firma in der Administration.

Herr Buyle, Sie sind jetzt im dritten Jahr CEO, welche Philosophie verfolgen Sie?

Buyle: Wichtig ist, dass wir den Blick nach vorne richten. Es gibt keinen Grund, warum wir aus der Schweiz heraus nicht auch zukünftig erfolgreich sein können. Weiter ist  Transparenz notwendig, gerade in Zeiten grösserer Veränderungen. Ausserdem hat für mich das langfristige Denken hohe Priorität, das schon immer Teil der Kultur von Jakob Müller war.

Wie sehen Sie die Zukunft des Unternehmens?

Buyle: Durchwegs positiv. Keine Frage, wir sind in einer schwierigen Industrie. Aber auch in der Schweiz gibt es Firmen, die beweisen, dass sie trotz Hochlohnstandort, des starken Schweizer Frankens und der vielen Initiativen dauerhaft erfolgreich sind. Man darf das immense Verbesserungspotential, das man intern hat, nicht unterschätzen, geschweige denn vergessen. Erfolgsgarant wird in Zukunft eine Mischung aus hoher Innovationskraft und absoluter Kostendisziplin sein.

Herr Kuoni, Sie sind seit letztem Jahr kürzer getreten. Welche Rolle spielen Sie in Zukunft in der Firma?

Kuoni: Wir haben ein gutes Management. Ich werde mein Pensum auf 60 Prozent reduzieren. Im operativen Geschäft werde ich kaum mehr sichtbar sein. Meine Hauptaufgabe ist die Diversifikation und ich werde weiterhin als Verwaltungsratspräsident zur Gesamtunternehmung schauen. 


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